Wie sehen eure aktuellen Erfahrungen bei der Alphabetisierung aus?

Ich bin ja schon länger aus Deutschland und dem Job weg und habe jetzt andere Schüler.

Wenn ich mich aber an die Zeit damals erinnere, dann habe ich die Schwierigkeiten vor Augen. Meine privaten, unbezahlten Besuche bei den Kursteilnehmern und/oder ihrer Familie mit einem Dolmetscher, in dem ich klar gesagt habe, dass sie ohne Deutsch und Alphabetisierung keine Chancen haben werde. In denen ich um Ihre Motivation gekämpft habe.

Manchmal hat es etwas gebracht, manchmal nicht. Manche meiner ehemaligen Schüler haben dann studiert, auch von den schwierigen Fällen waren ein paar darunter, und mehrere von ihnen haben mir Jahre später für meinen Einsatz gedankt. Manche sind aber auch auf die schiefe Bahn geraten, schon während des Kurses.

Nun sehe ich dieses Video hier und es scheint keine Probleme mehr zu geben. Die Kursteilnehmer seien motiviert und in kürzester Zeit sei die deutsche Sprache und auch Schreiben und Lesen kein Problem mehr, so die Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer von der Flüchtlingshilfe Königstein.

Ist das jetzt wirklich so viel einfacher geworden? Sehen eure aktuellen Erfahrungen auch so aus? Immerhin wird die Pfarrerin ja Kontakt zu Analphabeten und zu den Kursleitern haben.

Oder trifft eher die Einschätzung von Imad Karim, wenn er vor Glorifizierung und Mystifizierung warnt.

Meiner Meinung nach war es immer harte Arbeit für Lehrer und Schüler in Integrations- oder Alphabetisierungskursen, um wirklich etwas zu erreichen.

Ich hab hier z.B. 40 Sudanesen, alle männlich, Mitte bis Ende 20.
Fähigkeiten und *Ehrgeiz* erscheinen mir normalverteilt (i.S.v. Gauß).
Lustigerweise wollen 80% von ihnen Automechaniker werden. Offenbar hat ihnen noch niemand gesagt, dass es diesen Beruf hier nicht mehr gibt.
==> Vielleicht sollte man *vor* jeden IK mal einen Kurs über die Job-Realität in D schalten. Das könnte die Motivation steigern ...

In meiner aktiven Zeit war ich immer stolz auf meinen Beruf als Hochschullehrer und daher immer bemüht, für meine Studenten das Beste zu tun. Ich hätte es mir daher niemals träumen lassen, dass mir ein Bildungsträger hier in der Region das Ansinnen machen würde, beim BamF die Zulassung für Alphabetisierungskurse zu beantragen. Habe ich natürlich abgelehnt, denn:

Erstens fühle ich mich weder qualifiziert, solche Kurse zu unterrichten noch habe ich ein Interesse daran bzw. die Motivation dazu.

Zweitens wäre das as meiner Sicht auch eine Herunterstufung von einem Hochschullehrer, der Forschung und Lehre gemacht und eine ganze Reihe von Büchern veröffentlicht hat, darunter auch Lehrbücher und einführenden Monographien in bestimmte Fachgebiete. In Nepal kann man mit dem dortigen Äquivalent eines Abiturs ganz einfach Grundschullehrer werden, ohne eine weitere Ausbildung dafür absolvieren zu müssen. Auf diesem Hintergrund möchte ich mir so etwas nicht mehr antun.

Drittens gibt es Beruferene für diesen Job. Man kann nicht alles unterrichten, nur weil man etwas unterrichtet. Das sollten die Unwissenden unter den freien BIldungsträgern endlich mal begreifen. Aber Qualität zählt ja nicht auf diesem Billiglohn-Markt.

Zitat
Duke
Ich hab hier z.B. 40 Sudanesen, alle männlich, Mitte bis Ende 20.
Fähigkeiten und *Ehrgeiz* erscheinen mir normalverteilt (i.S.v. Gauß).

Bei mir waren damals die Afrikaner immer meine besten und ehrgeizigsten Schüler. Aber insgesamt war es so wie bei dir, normalverteilt.

Von daher bin ich sehr über diese Aussage der Pfarrerin gestolpert. Ich habe mir schon überlegt, ob vielleicht die im letzten Jahr angekommenen Flüchtlinge und Migranten besoders ehrgeizig sein könnten.

Scheint aber die Art der Begeisterung zu sein, die eher schadet als hilft und im Prinzip negative durch positive Stereotypen ersetzt. Ist genauso rassistisch, was der guten Pfarrerin wahrscheinlich nicht mal bewusst ist.

Zitat
Duke
Vielleicht sollte man *vor* jeden IK mal einen Kurs über die Job-Realität in D schalten. Das könnte die Motivation steigern ...

Das habe ich mir auch oft gedacht. Automechaniker war auch vor zehn Jahren schon/noch der erste Wunsch meiner männlichen Schüler. In der Nähe der VHS war eine Werkstatt mit einem netten Besitzer, der ursprünglich aus dem Libanon kam. Von ihm hatte ich die Erlaubnis vorbeizukommen mit meinen Schülern. Die haben dann immer gestaunt bei diesen Auslesegeräten. Ein weiteres Plus war, das der Libanese wie ein Muttersprachler gesprochen hat, nur mit leichtem Akzent. Das kam dann das zweite Staunen.

Zitat
DaF2000
Das habe ich mir auch oft gedacht.

Ok, dann war meine Idee mit dem Crash-Kurs in Sachen "Job-Realität in D" offenbar gar nicht so blöd :)

Aber wie macht man sowas ? Powerpoint ? YouTube ?
Und: Wenn dieser 'Kurs' bereits *vor* dem Alpha-Kurs gezeigt werden soll, müsste er ja zumindest Untertitel in der Sprache der Herkunftsländer haben.

Die in den Unterrichträumen zur Verfügung stehenden Medien sind nach meinen begrenzten Erfahrungen unwesentlich von Null verschieden :(
Ist das generell so ?

Da ich nicht erwarte, dass das BAMF uns so etwas liefert, werden wir es wohl selbst machen müssen.
Man könnte auch an eine Fernsehanstalt herantreten und vorschlagen, eine solche Sendung zu produzieren.

Deutsch -Alphabet aus 30 Buchstaben?
[www.almancadersler.com]
Deutsch Alphabet und Türkisch Übersetzung .
Stimmt es, dass das Alphabet ?