IDIAL4P - Fremdsprachen für den Beruf Werbung

Foren für E-Mail-Partnersuche, DaF-Diskussionen und -Jobsuche

Fachdiskurs Deutsch als Fremdsprache

Bitte in den Foren nur auf Deutsch schreiben!
Auch fremdsprachliche Beiträge (d. h. Beiträge über andere Sprachen) müssen wir leider löschen.

Noch einmal: „Theorie und Praxis“ in Integrationskursen
geschrieben von: Pleister ()
Datum: 05. Oktober 2018 01:06

Noch einmal: „Theorie und Praxis“ in Integrationskursen

Sicherlich kommt es darauf an, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den Integrationskursen und hier insbesondere im jeweiligen Orientierungskurs in vielerlei praktischer Hinsicht zu helfen, ihnen Ratschläge zu geben, überhaupt im offiziellen Unterrichtsverlauf auf Anliegen und Wünsche der Lernenden – soweit das möglich ist - einzugehen, Sachverhalte anzusprechen und zu behandeln, mit deren Hilfe sich ihnen sowohl gegenwärtig wie auch längerfristig Perspektiven öffnen sowie Handlungsmöglichkeiten erschließen, unter deren Einfluss und Wirkungsmächtigkeit sie die Aufgaben und Erfordernisse der Lebensrealität, die bereits anstehen oder auf sie zukommen, überdies ggf. auch Probleme und Konflikte nicht nur rational, sondern auch mit der notwendigen intuitiven Sicherheit wunschgemäß zu bewältigen imstande sein werden.

Gleichwohl: Auch theoretische und abstrakte Erwägungen sollten im Unterricht des Orientierungskurses einen Stellenwert haben, könnten sogar einen Angelpunkt abgeben, über den die Auseinandersetzung, der Umgang mit den Gegebenheiten und Veränderungen der Realität in praktischer Hinsicht vielleicht sogar besser in den Griff zu bekommen ist als mit möglicherweise weitgehend unreflektiert bleibendem, insgesamt von unzureichender Orientierung gesteuertem Zugriff auf die Anforderungen, gelegentlich auch Zumutungen der Lebenswirklichkeit. Letztere gewinnt nicht zuletzt durch die Digitalisierung, durch die sie tragenden Kategorien des Denkens auf streng logischer, mathematisch-naturwissenschaftlicher, informationstechnologischer Basis und durch die Applikation sowie Wirkungsmacht jener Kategorien in Gerätschaften und Apparaturen auch von z.T. Klein- und Kleinstformat gleichwohl eine in puncto Komplexität und Abstraktion zumindest in manchen Anforderungsbereichen sich mächtig ausdehnende Dimension. Überhaupt bleiben die Strukturen von Gesellschaft, Politik und Wissenschaft, d.h. Strukturen, die neben den eigentlichen Themen und Aspekten die Organisations- und Darbietungsformen sowie Wirkungsmechanismen einer sich im Zeichen von Fortschritt und Aufklärung präsentierenden Welt umfassen, sowohl in technologischer wie auch in allgemeiner Ausprägung, in ihrem voraussichtlich stets fortschreitenden Grad an Umfang, innerer Differenzierung und Kompliziertheit für den zumindest unvorbereiteten Laien größtenteils undurchschaubar. Aus diesem Grund dürfte es durchaus geboten sein, nicht nur im traditionellen Schulwesen, sondern auch in anderen Institutionen der Vermittlung von Wissen und Bildung, so beispielsweise in Integrationskursen, die Lernenden auf politische, gesellschaftliche sowie wissenschaftliche Entwicklungen, die ihnen vermutlich in Zukunft manches an Kenntnissen und Fähigkeiten abverlangen werden, behutsam vorzubereiten. Insofern sollte sich ein Orientierungskurs nicht in Begrifflichkeiten und bloßer Institutionenkunde erschöpfen, d.h. in der Vermittlung von Daten und Fakten zu Politik und Geschichte, wie sie den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern als Wissensbestand in der abschließenden Prüfung „Leben in Deutschland“ abverlangt werden, vielmehr wäre auch darauf einzugehen, wie sich das Dasein in einer Demokratie, zudem im Kontext abstrahierender Reflexionen über politische Freiheit, schließlich unter den Bedingungen der vieldiskutierten, sich vermutlich zügig vollziehenden Digitalisierung der Lebensumstände wünschenswerterweise gestaltet, wobei hier - und mit dem oben verwendeten Ausdruck „abstrahierend“ wird dies bereits angedeutet - unvermeidbar ansatzweise auch eine theoretische Ebene zu beschreiten ist. Dem Gedanken, Fragen der Digitalisierung in ethische sowie sozialpolitische Zusammenhänge einzurücken, kommt die mit der 2016 erfolgten Aufstockung des Orientierungskurses von 60 auf 100 Unterrichtsstunden verbundene stärkere Ausrichtung auf Wertevermittlung durchaus entgegen.

Wesentlich für das Verständnis einer – einmal abgesehen von gelegentlich auftretenden politischen Irritationen - insgesamt weitgehend befriedeten Gesellschaft, die gleichwohl aus unterschiedlichen Ethnien, sozialen Gruppen, Schichten oder auch Klassen mit je spezifischen Interessen besteht, die in ihrer Mehrheit autoritär-obrigkeitliche Entscheidungen, überhaupt autokratisches Durchgreifen, gar Diktatur ablehnt und über die entsprechenden rechtsstaatlichen Verfahrensweisen bekämpft, dagegen auf Mitbestimmung, Ausgleich und Kompromiss setzt, wichtig für das Leben in einer solcherart gestalteten Gemeinschaft dürften Wahrnehmungs- und auch Identifikationsbereitschaft der Individuen sein, zwei Fähigkeiten bzw. Eigenschaften, die hier auf Begriffe und die damit verbundenen Sachverhalte wie „Problembewusstsein“, „Meinungspluralismus“, „Liberalität“, „Emanzipation“, „Toleranz“ und „Solidarität“ zielen. In diesen Zusammenhang gehören natürlich auch noch weitere, vor allem formal-operativ akzentuierte Elemente eines auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie beruhenden Zusammenlebens von Menschen. Gemeint sind „Diskussions- und Debattenkultur“ sowie das argumentative, sich damit auf friedlichem Wege vollziehende „Aushandeln von gesellschaftspolitischen Positionen“, zudem das „Ertragen von Spannungen und Antagonismen“ in Selbstverständlichkeit, damit verbunden der „Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung“.

Die hier aufgeführten Begrifflichkeiten zumindest zu hören, erläutert und damit ins Bewusstsein gebracht zu bekommen, wenn das einmal so ausgedrückt werden darf, und aus der damit verbundenen Wissens- und Horizonterweiterung dann mit geschärftem Sensorium spätere Fragen und Problemstellungen wahrnehmen, verstehen, beurteilen und – im Falle von Fragen – beantworten zu können, all dies dürfte sich wenigstens als förderlich, wenn nicht als konstitutiv für das Leben in einem demokratischen Gemeinwesen erweisen.


Michael Pleister, d. 03.10.2018



9-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.02.21 07:30.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Noch einmal: „Theorie und Praxis“ in Integrationskursen
geschrieben von: bobaka ()
Datum: 05. Oktober 2018 08:03

Einen schönen guten Morgen!

Leider kann ich mit den meisten hier vertretenn Ansichten nicht ganz konform gehen.Ich möchte es einfach machen und dazu nur ein paar Fragen stellen:

1. Sind DaF-Lehrkröfte von der Ausbildung herzur Behandlung solcher Themen fähig?
2. Werden sie dafür anständig bezahlt in dem bestehenden System?
3. Ist dafür in den IK-Kursen hinreichend Zeit, und sind solche Themen Bestandteil der anerkannten Curricula?
4. Verkraften das auch die eher "bildungsfernen" Teilnehmer unter den Zuwanderern?
5. Welchen interkulturellen Schritte müssten mental und kognitiv gemacht werden, um solche Themen angemessen in solchen Kursen zu behandeln?

Mir fallen noch einige andere Fragen ein; ich will es aber erst einmal dabei bewenden lassen.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Noch einmal: „Theorie und Praxis“ in Integrationskursen
geschrieben von: Pleister ()
Datum: 07. Oktober 2018 02:05

"Die hier aufgeführten Begrifflichkeiten zumindest zu hören, erläutert und damit ins Bewusstsein gebracht zu bekommen,(...)" (Zitat Pleister), mehr als das ist zunächst nicht gefordert. Begriffe und Sachverhalte wie „Meinungspluralismus“, „Liberalität“, „Emanzipation“, „Toleranz“ und „Solidarität“, auch "Debattenkultur“ und „Ertragen von Spannungen und Antagonismen“ sind zwar theoretisch fundiert, haben aber letztlich bei genauer Überlegung einen größeren Realitätsbezug als auf den ersten Blick angenommen.

Michael Pleister, d.07.10.2018

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Noch einmal: „Theorie und Praxis“ in Integrationskursen
geschrieben von: bobaka ()
Datum: 07. Oktober 2018 09:33

Der Fokus meiner Fragen liegt auf der Umsetzbarkeit und weniger darauf, ob die von Ihnen genannten Prinzipien Realitätsbezug haben oder nicht. Aus meiner Sicht betrifft dies auch eher allgemeine Fragen der individuellen Persönlichkeitsbildung: Man ist z. B. als Einzelperson eben eher liberal/emanzipiert; in der Erwachsenenbildung stellt sih dann aus Sicht der konstruktuvistischen Pädagogik, ob man Erwachsene dahingehend "erziehen" kann oder soll. Dann stellt sich auch die Frage, ob solche Persönlichkeitsmerkmale auch Gegenstand von IKs und aneren DaF-Kursen sein sollen/können.

Wir leben in einer unvillkommenen Welt in der es solchd und solche gibt. Meine langjährign Erfahrungen in Afrika und Asien haben mir gezeigt, dass ein solches "Missionieren" wenig sinnvoll ist. Ich habe daher auch meine Zweifel, ob wir es hier auch in Deutschland tun sollten. Man kann doch im Kleinen wie im Großen "einfach Mensch bleiben"....

Optionen: AntwortenZitieren


In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Bitte in den Foren nur auf Deutsch schreiben!
Auch fremdsprachliche Beiträge (d. h. Beiträge über andere Sprachen) müssen wir leider löschen.


This forum powered by Phorum.