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Perfektbildung mit Modalverben
geschrieben von: philosophus dubitans ()
Datum: 27. Juli 2020 17:08

Nach den Informationen der mir bekannten DaF/DaZ-Lehrwerke (z.B. „Mittelpunkt“ C1) ergeben sich für mit einem Vollverb verbundene Modalverben folgende zwei Konjugationsregeln bei der Perfektbildung:

Bei der sogenannten „objektiven“ Bedeutung der Modalverben wird das Perfekt so gebildet:

1.) Konjugierte Präsensform von „haben“ („haben“ auch bei Verben der Orts- und Zustandsveränderung!) +
2.) Infinitiv Präsens des Vollverbs +
3.) Infinitiv Präsens des Modalverbs

Beispiel (1): Er hat sterben müssen.

Bei der sogenannten „subjektiven“ Bedeutung der Modalverben (mit der entweder eine Vermutung ausgedrückt wird oder, dass jemand etwas behauptet (hat)) wird hingegen das Perfekt anders gebildet:

1.) Konjugierte Präsensform vom Modalverb +
2.) Infinitiv Perfekt

Beispiel (2): „Sie muss die B1-Prüfung bestanden haben. Ansonsten säße sie jetzt nicht im B2-Kurs.“


Soweit scheint alles klar. Aber was machen wir mit folgendem Satz:

(3): „Sie muss laut Kurs- und Prüfungsordnung die B1-Prüfung bestanden haben, bevor sie einen B2-Kurs belegen kann.“

Die Notwendigkeit, die hier mit „müssen“ ausdrückt wird, ist eine objektiv durch die Kurs- und Prüfungsordnung gegebene. Hier wird mit „müssen“ keine starke Vermutung ausgedrückt. Dennoch entspricht die Formenbildung der bei der subjektiven Bedeutung von Modalverben.

Liegt es vielleicht daran, dass der Satz mit „müssen“ ein (verkappter) Bedingungssatz ist? Aber man beachte auch folgendes Beispiel:

(4): „Wenn ihr eure Kinder habt schlagen dürfen, dann wundert euch nicht, wenn diese ihre Kinder ebenfalls schlagen.“

Auch hier haben wir einen Bedingungssatz, doch die Bildung entspricht nun der normalen bei objektiver Bedeutung des Modalverbs. Modalverben objektiver Bedeutung in Bedingungssätzen werden also in einigen Fällen, wie bei (3), konjugiert (a) und in anderen, wie bei (4), in den Infinitiv gesetzt (b). Aber nach welcher Regel ist manchmal die Variante (a) und manchmal die Variante (b) richtig?

(Zudem besteht ein Nebenproblem darin, dass beim Bedingungssatz von (4), der als ein solcher ein Nebensatz ist, das konjugierte Verb nicht auf letzten Position steht, sondern auf der dritten.)



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 31.07.20 14:39.

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Re: Perfektbildung mit Modalverben
geschrieben von: Gernot Back ()
Datum: 27. Juli 2020 19:09

philosophus dubitans schrieb:
-------------------------------------------------------

> Beispiel (2): „Sie muss die B1-Prüfung bestanden
> haben. Ansonsten säße sie jetzt nicht im B2-Kurs.“
(Aussage über die Vergangenheit; epistemischer Gebrauch)

> Soweit scheint alles klar. Aber was machen wir mit
> folgendem Satz:

> (3): „Sie muss laut Kurs- und Prüfungsordnung die
> B1-Prüfung bestanden haben, bevor sie einen
> B2-Kurs belegen kann.“
(Aussage über die Zukunft; deontischer Gebrauch)

Also, dann nehmen wir doch mal zum Vergleich:
   (2/3') Sie hat die B1-Prüfung bestehen müssen. 
          Ansonsten hätte sie den B2-Kurs nicht belegen können.
(Aussagen über die Vergangenheit; beides deontischer Gebrauch)

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Re: Perfektbildung mit Modalverben
geschrieben von: philosophus dubitans ()
Datum: 30. Juli 2020 16:49

Die Aussagen (2/3')

"Sie hat die B1-Prüfung bestehen müssen.
Ansonsten hätte sie den B2-Kurs nicht belegen können."


sind deontisch: Mit ihnen wird behauptet, dass die Welt objektiv so sei. Dies entspricht der "objektiven Bedeutung", von der man in DaF-Lehrwerken liest.

Die Aussage (3)

„Sie muss laut Kurs- und Prüfungsordnung die B1-Prüfung bestanden haben, bevor sie einen B2-Kurs belegen kann.“

ist ebenfalls deontisch.

(2/3') und (3) sind alle deontisch, weisen aber einen Unterschied bei der Frage auf, welches Verb konjugiert wird: Bei (3) wird das Modalverb konjugiert, bei (2/3') jeweils das Hilfsverb. Gesucht ist also weiterhin die Regel für diesen Unterschied bei der Konjugation.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 31.07.20 14:40.

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Re: Perfektbildung mit Modalverben
geschrieben von: Gernot Back ()
Datum: 18. August 2020 08:58

philosophus dubitans schrieb:
-------------------------------------------------------
> (2/3') und (3) sind alle deontisch, weisen aber
> einen Unterschied bei der Frage auf, welches Verb
> konjugiert wird: Bei (3) wird das Modalverb
> konjugiert, bei (2/3') jeweils das Hilfsverb.
> Gesucht ist also weiterhin die Regel für diesen
> Unterschied bei der Konjugation.

Ich kann nur wiederholen, dass sich (3) auf die Zukunft beziehen, während (2/3') jeweils auf die Vergangenheit Bezug nimmt. Einen anderen Grund für die unterschiedliche Perfektbildung im deontischen Gebrauch sehe ich nicht. Eine ähnliche These wird auch in folgendem Papier unter Punkt 4.2.2. DMV (epistemische Modalverben) und Zeitreferenz ab Seite 13 vertreten: [ugp.rug.nl]

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Re: Perfektbildung mit Modalverben
geschrieben von: Kostas ()
Datum: 21. August 2020 09:47

Zitat
Herr Back
Ich kann nur wiederholen, dass sich (3) auf die Zukunft beziehen [...]. Einen anderen Grund für die unterschiedliche Perfektbildung im deontischen Gebrauch sehe ich nicht.

Genau! Das haben wir übrigens schon mal hier besprochen.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.08.20 09:49.

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