Hallo alle zusammen!

Ich habe immer noch Schwierigkeiten, die richtige verwendung der Konjunktion "seit(dem)" zu verstehen. Dabei meine ich besonders die erlaubten Zeitformen der Verben im Haupt- und Nebensatz.

Es scheint mir, dass sogar viele Muttersprachler und Deutschlehrer sich darüber nicht sicher sind, weil jeder etwas ganz anderes meint.

Z.B habe ich in irgeneinem Buch gelesen, dass wenn es sich um Gleichzeitigkeit handelt, sollten beide verben entweder im Präsens oder im Präteritum stehen und wenn es sich um Vorzeitigkeit handelt, dann sollte das Verb des Nebensatzes im Perfekt/Plusquamperfekt und das des Hauptsatzes im Präsens/Präteritum.
Shaut bitte den Link unten:

[www.deutschplus.net]

Beispiel:
Sie hat (hatte) immer gute Laune, seitdem sie ihn heiratet(ete). (Gleichzeitigkeit)
Seitdem er seinen Job gekündigt hat(hatte), ist(war) er Arbetslos. (Vorzeitigkeit)


Jedoch meinen andere, dass der Hauptsatz immer im Präsens stehen muss. Schaut doch mal diesen Link:

[mein-deutschbuch.de]

Beispiel:
Seitdem ich den schweren Arbeitsunfall hatte, liege ich im Krankenhaus


Außerdem habe ich auch oft Sätzen begegnet, die keine dieser Fälle bzw. Regeln entsprechen! Wie z. B:

Seitdem sie in Australien wohnt, haben wir nicht mehr von ihr gehört.

In diesem Satz - Falls er überhaupt richtig wäre - steht der Nebensatz im Präsens und der Hauptsatz im Perfekt, obwohl die Handlung im Nebensatz vor der Handlung im Haupsatz passiert ist, was allerdings ganz anders ist!

Also musste ich fragen, welche Zeitformen möglich/richtig sind, wenn die Konjunktion "Seitdem" benutzt wird.

Herzlichen Dank im Voraus.

Viele Grüße
Mo

Momova schrieb:
-------------------------------------------------------

> Beispiel:
> Sie hat (hatte) immer gute Laune, seitdem sie ihn
> heiratet(ete). (Gleichzeitigkeit)

Dieser Satz ist falsch; „heiraten“ ist ein momentaner, kurzzeitiger Vorgang. Mit „seitdem“ eingeleitet muss dieser Vorgang punktuell am Beginn des Zeitraums stehen, in dem die Handlung oder der Zustand im Hauptsatz stattfindet.

   Sie hat immer gute Laune, seitdem sie ihn geheiratet hat. (vorzeitig)   
   Sie hatte immer gute Laune, seitdem sie ihn geheiratet hatte. 
   (ebenfalls Vorzeitigkeit, aber mittlerweile leben sie oder er vielleicht nicht mehr)

> Seitdem er seinen Job gekündigt hat(hatte),
> ist(war) er Arbetslos. (Vorzeitigkeit)

„Kündigen“ ist ebenfalls ein kurzzeitiger und kein andauernder Vorgang:
deshalb ebenfalls:

   Seitdem er seinen Job gekündigt hatte, war er arbeitslos. 
   (vorzeitig, aber mittlerweile ist er wieder in Arbeit)
   Seitdem er seinen Job gekündigt hat, ist er arbeitslos. 
   (ebenfalls vorzeitig, und er hat immer noch keine Arbeit)

> Jedoch meinen andere, dass der Hauptsatz immer im
> Präsens stehen muss. Schaut doch mal diesen Link:

Nein, diese Meinung ist irrig, wieso sollte er?

> Beispiel:
> Seitdem ich den schweren Arbeitsunfall hatte,
> liege ich im Krankenhaus

Richtig!

> Seitdem sie in Australien wohnt, haben wir nicht(s)
> mehr von ihr gehört.

Richtig!

> In diesem Satz - Falls er überhaupt richtig wäre -
> steht der Nebensatz im Präsens und der Hauptsatz
> im Perfekt, obwohl die Handlung im Nebensatz vor
> der Handlung im Haupsatz passiert ist, was
> allerdings ganz anders ist!

Keineswegs, sie hat doch schon vor einiger Zeit angefangen in Australien zu leben und wohnt doch immer noch dort! Seit sie angefangen hat in Australien zu leben, habt ihr nicht mehr von ihr gehört. Der Zeitraum ihres Lebens in Australien und der Zeitraum, in dem ihr nichts mehr von ihr gehört habt, sind identisch.

Im Unterschied zu „heiraten“ und „kündigen“ sind „liegen“, „leben“, „wohnen“ und hoffentlich auch „Gute Laune haben“ andauernde Handlungen bzw. Zustände

> Also musste ich fragen, welche Zeitformen
> möglich/richtig sind, wenn die Konjunktion
> "Seitdem" benutzt wird.

Das hängt ganz davon ab, ob das im „Seit(dem)“-Satz benutzte Verb durativ oder terminativ ist.

Vielen Dank! Ich denke, dass ich jetzt alles viel besser verstehe.
Also, wenn ich mich nicht irre, kommt es darauf an, ob das Verb eine Zeitspanne oder einen Zeitpunkt angibt. Wenn eine Spanne angegeben ist, kann man das Präsens/Präteritum verwenden und wenn einen Zeitpunkt ausgedrückt ist, sollte dann Perfektformen verwendet werden, stimmt?

Ich habe auch einem anderen Beispiel begegnet und bin mir nicht sicher, ob es schon dieser Regel vollständig entspricht:

Seitdem mein Hausarzt in Rente ist, war ich bei keinem Arzt mehr.

Warum wird hier im Hauptsatz "war" und nicht "bin" verwendet? Wäre das verb "sein" nicht durativ? Da der Hausarzt immer noch in Rente ist, köntten wir nicht den zweiten Satz auch in der Gegenwart bilden?

Gruß
Mo

Momova schrieb:
-------------------------------------------------------
> Also, wenn ich mich nicht irre, kommt es darauf
> an, ob das Verb eine Zeitspanne oder einen
> Zeitpunkt angibt. Wenn eine Spanne angegeben ist,
> kann man das Präsens/Präteritum verwenden und wenn
> einen Zeitpunkt ausgedrückt ist, sollte dann
> Perfektformen verwendet werden, stimmt?

So würde ich das nicht formulieren: Ein Verb „gibt“ ja selbst weder eine Zeitspanne noch einen Zeitpunkt „an“, sondern der durch das Verb ausgedrückte Vorgang oder Zustand findet eben in einer Zeitspanne oder an einem Zeitpunkt statt.

> Ich habe Mir ist auch einem anderesn Beispiel begegnet
> und ich bin mir nicht sicher, ob es schon dieser Regel
> schon vollständig entspricht:
>
> Seitdem mein Hausarzt in Rente ist, war ich bei
> keinem Arzt mehr.
>
> Warum wird hier im Hauptsatz "war" und nicht "bin"
> verwendet? Wäre das verb "sein" nicht durativ?

Doch, das kann es je nach Kontext sein:

   Seit mein alter Hausarzt in Rente ist, bin ich krank.

> Da der Hausarzt immer noch in Rente ist, könnten
> wir nicht den zweiten Satz auch in der Gegenwart
> bilden?

Nein, denn man hält sich ja normalerweise auch nicht dauerhaft bei einem Arzt auf, sondern immer nur zu einer Sprechstunde oder zur Behandlung.

   Seitdem mein Hausarzt in Rente ist, war ich bei keinem Arzt mehr.

… heißt also dasselbe wie:

   Seitdem mein Hausarzt in Rente ist, bin ich zu keinem Arzt mehr gegangen.

… und nicht:

   Seitdem mein Hausarzt in Rente ist, gehe ich zu keinem Arzt mehr.

…, denn das würde heißen: aus Trotz oder Verbitterung darüber, dass mein Hausarzt, „dieser pflichtvergessene Verräter“ nicht weiter praktizieren will:

   Jetzt traue ich keinem Arzt mehr!

1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.05.21 22:41.