Eine Frage, es sind ja beide Varianten möglich: Ich bin in Berlin geboren, ich wurde in Berlin geboren. Aber eigentlich wäre "ich wurde geboren" doch korrketer. Wer kann mir das erklären??

Danke!
Susa[bgcolor=red][/bgcolor]

Guten Morgen,

zu dieser Frage gab es schon Anfang des Jahres einige Beiträge.

Der Link dahin: "Ich bin geboren".

Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

Guten Abend,

ich würde kurz so sagen:

(1.) "Ich bin geboren", ist Zustandspassiv.

(2.) "Ich wurde geboren/ Ich bin geboren worden", ist Vorgangspassiv.

Oder irre ich mich?

jero
www.cafe-deutsch.de

Eigentlich hast du Recht, und das wird in dem Thread, zu dem Michael linkt, ja auch gesagt. Andererseits verwirrt mich, dass ein Zustandspassiv sich im Präsens doch auf die Gegenwart bezieht ("Ihr Kind ist geboren!").
Die Vergangenheitsform bezieht sich auf Vergangenes.
Beispiel: Der Roman ist fertiggestellt. Es liegt hier vor mir.
Der Roman war gestern fertiggestellt. Jetzt ist er schon in China.
Du kannst ja nicht sagen: Das Blabla ist gestern + Partizip. Wenn es Zustandspassiv sein soll.
Also stimmt irgendwas nicht und "geboren" wird eher wie ein Adjektiv verwendet.
"Ich bin in Metzingen geboren. Ich bin eine in M. geborene Deutsche."
Fazit: Kein Zustandspassiv mehr.

(Aber wahrscheinlich ist es einfach eine Abkürzung von "geboren worden", die sich über die Jahrhunderte eingebürgert hat und daher grammatisch in kein Schema mehr passt. Auch recht.)

Guten Abend, Franziska,

so ganz richtig habe ich dich vielleicht nicht verstanden. Aber ich denke so: Der Ausgangssatz war "Ich bin am 21.11. geboren worden". Das ist Vorgangspassiv und betont noch eher den Prozess des "Geboren-Werdens", also die Minuten, Stunden, in denen das geschah.

Wenn man aber den Geburtstag einer Person wissen will, interessiert einen nicht mehr der Prozess, sondern nur noch das Ergebnis (der Zustand, also wann dieser Zustand "auf der Welt zu sein" begann). Deshalb reicht das Zustandspassiv "Ich bin am 21.11. geboren".

Die Frage "Wann bist du geboren?" bedeutet also mit anderen, aber unüblichen Worten: "Wann trat der Zustand ein, dass du auf der Welt bist"? *grins* (Klingt etwas sonderbar, nicht wahr?!)

Oder meintest du etwas anderes?

jero
www.cafe-deutsch.de

Leider bin ich da einfach etwas unschlüssig, weil der Begriff "Zustandspassiv" hier nicht so richtig hinhaut.
Werde nochmal drüber nachdenken.

Guten Morgen,

wo jero Recht hat, soll jero auch Recht bekommen.

"Ich bin geboren", ist Zustandspassiv, "geboren" ist hier Partizip Perfekt zu "gebären".

Und, ja, ein Zustandspassiv bezieht sich im Präsens auf die Gegenwart (Ihr Kind ist geboren! Die Tür ist geöffnet. [Grammatisch ist da kein Unterschied.]).

Zustandspassiv


"Ich werde geboren/ wurde geboren/ bin geboren worden", ist Vorgangspassiv, auch hier ist "geboren" Partizip Perfekt.

Vorgangspassiv


In der Wendung "Ich bin eine in M geborene Deutsche" wird "geboren" als Adjektiv gebraucht.

geboren

Die Verwirrung über die grammatische Zuordnung entsteht, weil es ja auch mit "sein" angeschlossene Adjektive (adjektivische Prädikate) gibt.

Doch hilft hier die Rückumformung:

Das Kind ist geboren. - Die Mutter gebiert das Kind.


Mit freundlichen Grüßen






Michael Redeker

Guten Morgen,

interessant finde ich auch, dass das Verb -gebären- kaum oder sogar fast nie im Präsens Aktiv gebraucht wird. z.B. "Sie gebiert ein Kind", sodass wahrscheinlich viele schon gar nicht mehr wissen, dass es nicht "sie gebärt", sondern "sie gebiert" heißt.

Schöne deutsche Sprache! :-)

Ich habe noch über deinen Einwand nachgedacht, Franzi :-), jetzt sehe ich diese Merkwürdigkeit auch: Wir benutzen das Zustandspassiv quasi in der Gegenwartsform (im Präsens) für ein Ereignis in der Vergangenheit. "Ich bin 1950 geboren." Man müsste ja eigentlich wohl sagen "Ich war 1960 geboren" oder "bin/war ... gewesen".

Da haben wir wohl beide Recht, wenn wir annehmen, das "worden" ist sprachgeschichtlich verloren gegangen, weil - wie ich vermute - es nicht um den Vorgang, sondern um den Zustand geht???

jero
www.cafe-deutsch.de

Hm. Schön und gut.
Aber die Rückumformung kann sich ja auch auf ein verstümmeltes Vorgangspassiv beziehen, das ist für mich noch kein Beweis:
"Er ist 1980 geboren worden".
Nach wie vor stört mich der Bezug zur Vergangenheit, wenn das Zustandspassiv sein soll!

Man kann nicht sagen:
Die Tür ist 1999 geöffnet.
Die Eltern sind vorgestern informiert.

Also?

Ah, sorry, mein "schön und gut" bezieht sich auf Michaels Einwurf, Jero - du bist mir mal wieder zuvorgekommen. ;-)
Mein Fazit: Es handelt sich eben um Vorgangs-, nicht um Zustandspassiv.
Aber es gibt lebenswichtigere Fragen ...

Guten Abend,

nach einigem Überlegen und Nachforschen u.a. im
Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm möchte ich folgende These zur Diskussion stellen.

Grammatisch gibt es einen Unterschied zwischen den Sätzen:

"Er ist geboren."

und

"Er ist 1980 geboren."

Ich bleibe dabei, dass "Er ist geboren." Zustandspassiv sein kann (s.o.), "geboren" hier also einfach Part. Perf. ist, oder wie im zweiten Satz Adjektiv sein kann.

Ich glaube, dass im Satz "Er ist 1980 geboren." "(1980) geboren" sicher ein Adjektiv ist [vgl. im Grimm'schen Artikel 7 b], das eine bleibende Eigenschaft beschreibt: einmal 1980 geboren, immer 1980 geboren.


___________________________________________

Schade eigentlich, dass der Teilnehmer "MrMagoo" sich nicht mehr meldet, der sich gerne feste in solche grammatischen Feinheiten verbeissen mochte.

___________________________________________



Mit freundlichen *verbissengrins* {?.?! - werd' ich nun auch verkindischt?} Grüßen






Michael Redeker



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.11.06 10:39.

Vielen Dank für eure interessaten Beiträge. Das ist ja nicht ganz unkompliziert alles, man lernt eben nicht aus...

Viele Grüße
Susa

Guten Abend,

die Kiste mit den Büchern ist nun endlich angekommen, die Grammatik ist gefunden und zur Hand; die glimmende Frage kann nun endlich beantwortet werden.

"Er ist geboren." ist Zustandspassiv.

Meine Duden-Grammatik, 4. Auflage 1984, beschreibt in den Abschnitten 305ff. (S. 185ff.) das "Zustands- oder sein-Passiv" und unterscheidet dabei zwischen 2 Typen des Zustandspassiv:

"Typ 1

Der Typ 1 ist dadurch gekennzeichnet, daß das Zustands- oder sein-Passiv auf ein Perfekt des Vorgangs- oder werden-Passiv zurückgeführt werden kann: Die Tür ist geöffnet/geschlossen. (aus:) Die Tür ist geöffnet/geschlossen worden.(...)

Bei der Umwandlung des Vorgangs- in das Zustandspassiv wird, formal betrachtet, worden getilgt. Das Zustandspassiv (...) drückt einen Zustand als das Ergebnis einer Handlung aus."

Meine adjektivischen Spekulationen oben waren eben nur das. Und die sonst untadelige Canoo.Net-Grammatik ersetzt doch nicht immer das Buch in der Hand.

Mit freundlichen Grüßen








Michael Redeker

Guten Abend,

und was daran ist jetzt das Neue? Soweit waren wir doch schon.

jero
www.cafe-deutsch.de
(jetzt mit einer Projekt-Idee für Deutschlernkurse)

Guten Morgen jero,

in den Beiträgen oben werden Zweifel geäußert, da die Argumente <aus dem hohlen Bauch> behauptet, aber nicht belegt waren.

Das 'Neue' an meinem letzten Beitrag ist der nachprüfbare Literaturnachweis.


Wie Sie an anderer Stelle schrieben: "Ausländern [ist] oft nicht gedient (..), wenn man ihnen nur sagt, wie es richtig ist. Sie wollen eben oft wissen, warum!"

Und viele der Beiträger hier möchten auch gern wissen, ob ein Beitrag nur "eine Meinung" oder "wissenschaftlich begründet" ist. Und oft, wo eventuell Hilfe zur Selbsthilfe zu finden ist.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

Guten Morgen,

Michael, schön, dass du dich nun doch noch meiner Argumentation gegenüber Susa-D anschließt. *grinsschmunzellach*

Geklärt hatten wir ja schon, dass die Konstruktion "bin geboren" Zustandspassiv ist. Franzi hatte allerdings eingewandt, dass das trotzdem eine "komische Konstruktion" ist, weil wir quasi im Präsens über etwas Vergangenes sprechen "Ich bin 1980 geboren." Wenn ich sie richtig verstehe, ist ihre Frage, warum wir nicht sagen: "Ich war 1980 geboren", denn wir sagen ja auch "Das Fenster war gestern stundenlang geöffnet" und nicht "Das Fenster ist gestern stundenlang geöffnet." (???)

Franzi, schau mal, in dieser Konstruktion ist es ebenso: "Mein Geburtstag ist (nicht: war) der 03.12.1970." Kein Zustandspassiv, aber das gleiche Phänomen.

Ich habe eine Idee, ihr auch?

jero
www.cafe-deutsch.de
(jetzt mit einem Projekt für Deutschlernkurse)

(Ich kann ja nicht gemeint sein, der Name ist völlig anders :-()

Ich fürchte, ich bin momentan einfach zu müde für irgendwelche geistigen Höhenflüge ...
Ratlos. Und leider noch nicht richtig überzeugt vom ganz normalen Zustandspassiv.

Franziska

Guten Morgen Franziska, Jens-Robert, Susa!

Franziska, ich glaube doch, dass Sie gemeint sind: Jens-Robert bedient sich hier einer Variante der Häschensprache. Ist albern, wo doch putzig.

Wenn Sie vom 'ist geboren'-Zustandspassiv trotz Duden-Grammatik nicht zu überzeugen sind, und es an keiner der Universitäten in Berlin einen Linguisten Ihres Vertrauens gibt, der diese Frage zu unser aller Zufriedenheit klären könnte, müssen wir es hinnehmen.

Es gibt wenig Dinge im Leben, die so wichtig und einmalig sind wie das Geboren-Werden, aber viele Fragen, die spannender sind als eine grammatische Kategorie.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.12.06 10:39.

Nun, damit kann ich leben! Im Übrigen würde ich sicher auch meinen Schülern antworten, dass es sich hier um eine Art Zustandspassiv handelt.
Und so ein bisschen Restzweifel hat ja noch niemandem geschadet ...

;-)

Ich bin Engländerin, habe vor Jahren Deutsch an der Uni gelernt. Was ich lernte, war: "Ich bin geboren." Es kommt sicherlich daher, weil das Verb instransiv ist, wie "Ich bin gelaufen, gegangen, geschwommen" usw. "Ich wurde geboren" rückt die Gebärtätigkeit zu sehr in den Vordergrund: "Ich wurde durch Kaiserschnitt geboren".