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"gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Rachel Dose ()
Datum: 21. Dezember 2007 15:55

Hallo,
im Zusammenhang mit den Wechselpräpositionen fiel mir auf, dass man nicht sagen kann "ich gehe im Wald", sondern dass man dann "spazieren" o.ä. ergänzen muss. Kann man "gehen" tatsächlich nur auf die Frage "wohin" benutzen und braucht sonst laufen?
Ich meine mich, in einem analogen Beispiel, zu erinnern, dass man früher z.B. eher sagte "Er läuft auf der Straße", während man ab und zu (subjektiv gefühlt: heute öfter) hören kann, jemand "gehe" auf der Straße.
Und gibt es eine Bezeichung für Verben, die nur im "Wo?" oder im "Wohin?"-Sinn gebraucht werden können, also "ankommen" vs. "kommen" etc.?
Entschuldigung für die stümperhalfte Terminologie und Vielen Dank im Voraus!

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Sergej ()
Datum: 21. Dezember 2007 18:32

Frohe Weihnachten!

Wo kommen Sie denn an? In der Hauptstadt, im Dorf...usw.

Viele Gruesse
S.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Redeker, Bangkok ()
Datum: 22. Dezember 2007 03:03

Guten Morgen Rachel,

Gefunden

Ich ging im Walde
So vor mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich
Ein Blümlein stehn,
Wie Sterne blinkend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Mit allen Wurzeln
Hob ich es aus,
Und trugs zum Garten
Am hübschen Haus.

Ich pflanzt es wieder
Am kühlen Ort;
Nun zweigt und blüht es
Mir immer fort.

(Johann Wolfgang von Goethe)

Es kommt ganz auf den Zusammenhang und die Bedeutung an.

Sie können durchaus "Ich gehe im Wald." sagen. Die Wechselpräpositionen mit der Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Aktionen sind ein schwieriges Feld.

Zur Erklärung "tanze" ich gerne vor meiner Klasse:

"Ich tanze in die Disko." "Ich tanze in der Disko."



Zusammenhang und Bedeutung machen den Unterschied. Und noch'n Gedicht:


Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich,
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: "Bitte, beuge mich!"

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf" - sprach der Gute dann,
"des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
den Wenwolf, - damit hat's ein End'."

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle,
"Indessen", bat er, "füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja noch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

(Christian Morgenstern)


Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.12.07 03:10.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Rachel Dose ()
Datum: 22. Dezember 2007 19:34

"ich gehe im Wald so vor mich hin" ist aber dann nicht einfach nur "gehen", sondern "vor sich hin gehen", genauso kann man ja auch sagen "(im Wald) spazieren gehen", aber da steht das Verb "gehen" ja nicht allein sondern hat eine Ergaenzung.
"Tanzen" würde ich ebenso bewerten wie "laufen", was man also, wie Ihr Beispiel zeigt, sowohl auf die Frage "wo" als auch auf die Frage "wohin" benutzen kann: "Ich laufe in den Wald", "ich laufe im Wald".
Den ersten Beitrag habe ich nicht ganz verstanden, denn eben dies meine ich: Man kann fragen: "WO kommst du an?" oder "WoHIN kommst du?". "Wohin kommst du an" wäre hingegen falsch, und "Wo kommst du" hätte eine andere Bedeutung, wozu es ja auch diverse Witze gibt...
Gibt es eigentlich eine gute Grammatik, wo man sowas findet? Die unter meinen Kollegen so hochgelobte Helbig/Buscha bietet dazu leider gar nichts (es sei denn ich gucke falcsh).

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Redeker, Bangkok ()
Datum: 23. Dezember 2007 06:22

Guten Morgen Rachel,

mein Lieblingssport und mein anderes Hobby (neben Grammatik) ist Gehen. Ich gehe überall, ich gehe in der Halle, ich gehe in der Stadt, ich gehe im Wald.

Aber im Ernst und in kleinen Schritten.

Das Fragewort "Wo?" fragt nach einem Ort, das Fragewort "Wohin?" nach einer Richtung.

"Richtung" braucht m.E. Bewegung.

Das Wort "ankommen" beschreibt das Erreichen eines Ortes oder Ziels, mithin das Ende einer Bewegung. Es lässt sich also semantisch nicht mit einer andauernden Bewegung ("Wohin?") verbinden.

Zusammenhang und Bedeutung.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Rachel Dose ()
Datum: 24. Dezember 2007 00:47

...wenn wir von der - m. W. auch olympischen - Sportart "Gehen" absehen, die heute auch gern als "Walking" bezeichnet wird...?
Da kann man ja dann sogar sagen "Ich gehe bei den olympischen Spielen"!

Ich meinte aber - und ich dachte eigentlich, das sei klar - nicht die Sportart, sondern die einfache Fortbewegung per pedes, ohne sportliche Motive.

Sollten Formulierungen wie "ich gehe in der Stadt" dann tatsaechlich nur mir komisch vorkommen?

Ganz ehrlich: Würden Sie das in der natürlichen Sprachverwendung JEMALS so verwenden? Ich hätte das immer mit "spazieren"/"Einkaufen" o.ä. ergänzen wollen.
Woran mag das liegen?

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Redeker, Bangkok ()
Datum: 10. Januar 2008 15:55

Guten Abend Rachel,

ich zitiere hier "vehement" aus einer Arbeit von Rüdiger Lauermann. (Der Text steht auf einer kommerziellen Webseite namens "hausarbeiten.de", kann aber kostenfrei gelesen werden.)

"Bei Präpositionen, die entweder den Dativ oder den Akkusativ nehmen hängt der Kasus von der Art der beschriebenen Bewegung ab. Wenn die Grenze eines topischen Bereiches überschritten wird, steht der Akkusativ; spielt sich die Bewegung innerhalb des topischen Bereiches ab, steht der Dativ:
Ich gehe in den Wald - Ich gehe im Wald."

Ja, so habe ich das auch immer verstanden.

Und ich sehe nicht, warum hier "gehen" in eine andere Kategorie als "laufen", "tanzen", "schwimmen", "fahren" usw. fallen sollte.

Wenn Sie aber gute Argumente anführen können, lerne ich gerne etwas Neues dazu.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 10. Januar 2008 19:51

Ich habe beobachtet, dass das Verb "gehen" von unterschiedlichen Leuten unterschiedlich verwendet wird. Meine Großmutter sagte gerne "Ich gehe noch ein bisschen" oder "Ich mache einen Gang". Das würde ich selbst nie so sagen! Ich gehe spazieren oder einkaufen oder raus oder zu Fuß ... mit Ergänzung! Wenn ich sage, "Ich gehe", dann gehe ich weg, I'm off, bye.
Hm. Ist also Geschmackssache.
Mein Empfinden entspricht also Rachels: Für mich klingt "Ich gehe im Wald" nicht gut.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Rachel Dose ()
Datum: 10. Januar 2008 20:48

Hallo Franziska,

schön, dass endlich mal jemand das genauso sieht - und verwunderlich, dass das so lange gedauert hat, da so eine Idee ja nicht von ungefähr kommen konnte, und die Beobachtung mir von zwei vertrauenswürdigen Quellen als korrekt bestätigt wurde (ich werde die nochmal fragen, wo man das schriftlich fixiert findet, um hier alle zufriedenzustellen, denen das Grammatiktelefon des Instituts für Deustche Sprache als Quelle nicht reicht. Irgendwo muss es ja auch stehen.).

Habe über Weihnachten im Familienkreis, alles linguistisch völlig unbeschlagene, aber halbwegs gebildete Muttersprachler (Herkunft: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NRW), mal den Test gemacht und gefragt, ob man den Wald-Satz Ihrer Meinung nach so sagen kann (bewusst nicht suggestiv gefragt!): Sie haben einstimmig verneint oder "...spazieren, ja" ergänzt.

Übrigens finde ich dabei auch interessant, dass es im Englischen genauso ist: "to go" kann man nur mit Richtungsangabe verwenden, sonst muss man "to walk" sagen. Bei uns wäre das Pendant m.E. "laufen", das ja auch als Synonym für gehen gebräuchlich ist:
"Das Kind lernt laufen" oder "Da laufen Leute mitten auf der Strasse."

Also, ich werde mal gucken, ob ich das schriftlich finde. Mich hat es ja auch überrascht, dass es mir nie zuvor bewusst geworden war, obwohl es sich um ein so alltägliches Verb handelt!
Bis dahin würde mich durchaus interessieren, was andere Muttersprachler darüber denken - vielleicht ist es ja auch ein regionales Problem: In Niedersachsen hab ich das nie gehört.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Redaktion ()
Datum: 11. Januar 2008 17:26

also, entweder sinkt das Grammatiktelefon drastisch in meiner Einschätzung, oder aber da bestehen Missverständnisse, entweder bei der Frage udn/oder der Antwort des Grammatiktelefons.

Für mich ist "Ich gehe auf der Straße" absolut korrektes Deutsch, im grammatikalischen, syntaktischen, semantischen und pragmatischen Sinn. Ich selber habe da immer mehr linguistische Magenschmerzen, wenn jemand sagt "Ich laufe auf der Straße", wenn er de facto gar nicht *läuft* sondern eben nur *geht*. Das ist aber wohl eine semantische Feinheit, die in der Umgangsprache einfach wegfällt, viele Leute sagen nun mal "laufen", owbohl sie damit gar nicht das schnelle Fortbewegen zu Fuß meinen (rennen, laufen, joggen, traben...) sondern nur das "normale" Gehen wie Schlendern, Spazierengehen usw. meinen.

Jetzt würde mcih aber doch mal interesseiren, wer denn den Satz "Ich jogge im Wald, aber auf der Straße gehe ich." problematisch findet und warum.

Noch ein Beispiel:
"Wer auf der Straße geht, handelt leichtsinnig, denn er sollte auf dem Bürgersteig gehen".

Bei beiden Beispielen geht es explizit um das Gehen als solches, ohne jede Erweiterung wie "zu Fuß gehen" oder "spazierengehen".

Jürgen

Online-Redaktion deutsch-als-fremdsprache.de
[www.iik-duesseldorf.de]

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 11. Januar 2008 21:23

Einverstanden, Jürgen! Aber wie findest du "Ich gehe im Wald"?

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Redeker, Bangkok ()
Datum: 11. Januar 2008 22:28

Guten Morgen,

als ich noch in Deutschland lebte, bin ich viel und gerne im Wald gegangen.

Damals sagte der Doktor: Bewegen Sie sich! Gehen Sie! Aber gehen Sie nicht in der Stadt! Gehen Sie auf dem Land, gehen Sie im Wald!

Anfangs hatte ich da oft meine Vorbehalte. Ich bin vor mich hin, hin und her, spazieren, ich bin wandern gegangen. Aber im Laufe der Zeit bin ich dann einfach nur gegangen. Wenn ich im Wald gehe, laufen meine Gedanken vor sich hin. Ich gehe im Wald, ich gehe unter Bäumen.

Wenn mich dann einer fragt: Mensch, was machst denn du den ganzen Tag im Wald?, antworte ich: Ich gehe im Wald. Wo ist da das Problem?


Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Rachel Dose ()
Datum: 11. Januar 2008 23:17

Hallo Jürgen,

sagst du dann auch "Das Kind lernt gehen?" (wobei ich das auch nicht mal falsch finden würde - ich will in diesem Fall nur auf die Bedeutung von "laufen" hinaus)

Zitiere den Eintrag in Wahrigs Deutschem Wörterbuch:
laufen: (...), zu Fuß gehen, (...)
Beispielsatz: "Ich bin gelaufen (nicht gefahren)."

Ich stimme dir zu, dass man einige der von dir gebrachten "gehen"-Beispiele hört, tatsächlich fand ich "ich gehe auf der Straße" zunächst auch akzeptabel, aber dann müsste ja auch "ich gehe im Wald" ok sein, und die entsprechende Frage "Wo gehst du?" finde ich ebenfalls zum Schütteln. Du nicht?

Zweitens möchte ich jetzt mal rein von der Wahrscheinlichkeit her argumentieren - und das meine ich gar nicht ironisch. Es gibt ja nun zwei Möglichkeiten:

a) Es gibt diese Regel, aber sie wird im Alltag oft verletzt, weswegen sich langsam eine gewisse "Natürlichkeit von dem Fehler" einstellt.

b) Es gibt diese Regel nicht, und das Grammatiktelefon, Franziska, meine Familie und ich haben uns das folglich grundlos ausgedacht.

Die Idee der Verschleifung einer Regel, das Wegfallen einer semantischen Feinheit in der Umgangsprache, ist m.E. - zumal bei einem solch gebräuchlichen Verb wie "gehen" - wahrscheinlicher als die einer "willkürlichen" Erdichtung einer solchen Regel durch ein paar Muttersprachler (meine Familie ist fachfremd, wie kommen also solche Antworten zustande, wenn diese Regel erfunden ist?
Oder warum "geht" der Satz sonst nicht?).

Hier zwei nützliche Nummern:

Gesellschaft für deutsche Sprache
Service-Telefon für Sprachanfragen:
Tel.: 09001 / 88 81 28
(Mo. - Fr. 9.00 - 17.00 Uhr, 1,86 EUR pro Minute, deutschlandweit)
Duden-Sprachberatung
Tel.: 09001 / 87 00 98 (Mo. - Fr. 9.00 - 17.00 Uhr, 1,86 EUR pro Minute, deutschlandweit)

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Charles Trojan ()
Datum: 12. Januar 2008 11:17

Dies fruchtbare Diskussion läßt sich fast ad infinito fortsetzen. Hier ein anderer Aspekt zur Lösung:

(1) "gehen" als Bezeichnung alleine hat keine Bedeutung, keinen Begriff
(2) Die Valenzen und die vielen verschiedenen Distributionen (die Kontexte)ergeben die Bedeutung, Beispiele:
- Die Uhr geht
- Die Uhr geht falsch, richtig, vor, nach
- Der Brief geht nach Timbouctou
- Es geht ihm gut
- Es geht (typische deutsche Antwort auf die Frage "Wie geht es dir?", alternativ "Einigermaßen", aber nie "gut"!)
- Das Fenster geht auf den Garten
- Jemand geht einkaufen usw.
- Er geht an die Sorbonne, nach Amerika, ins Gefängnis...
usw.
CT

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 12. Januar 2008 23:31

Also ich ziehe meine anfänglichen Zweifel zurück! Nach langem "In-mich-Hineingehorche" und einer kleinen Umfrage hier muss ich zugeben: Man kann sagen "Ich gehe im Wald."
Ungewohnt, aber möglich.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Redeker, Bangkok ()
Datum: 15. Januar 2008 02:01

Guten Morgen,

hier ist eine E-Mail von Stephan Bopp (canoonet.eu) zum Thema:


"...dass "gehen" mit "wo" stehen kann, zeigt nur schon der Satz "Er singt, wo er geht und steht." Aber das ist natürlich kein Beweis, denn in festen Wendungen ist vieles erlaubt, was sonst grammatisch nicht ganz so korrekt ist.

Aber auch in freien Wendungen kann "gehen" mit der Bedeutung "sich zu Fuß fortbewegen" (nicht aber mit der Bedeutung "sich irgendwohin begeben") mit Satzteilen verbunden werden, nach denen mit "wo" gefragt wird:

Es ist verboten, auf der Fahrbahn zu gehen.
Die Kinder gehen immer brav auf dem Bürgersteig, wie sie es gelernt haben.
Ich gehe lieber auf der rechten als auf der linken Bachseite. Der Weg ist dort breiter.
Bei Lawinengefahr ist es besser, im Wald als auf dem offenen Hang zu gehen.

In all diesen Sätzen steht eine Ortsbestimmung, nach der mit "wo" gefragt werden kann. Solche Satzkonstruktionen mit "gehen" sind also grundsätzlich möglich und richtig.

Und hiermit sind wir bei der Frage, ob "Ich gehe im Wald" richtig ist. Ich vermute, dass die Geister sich auch oder vor allem an dieser Frage scheiden. Ich kann sie aber leider weniger gut beantworten, denn der Satz kommt mir nämlich auch ungewöhnlich vor. Das hat wahrscheinlich damit zu tun,

- dass hier "gehen" ganz ohne Kontext wohl ungefähr "spazieren" bedeutet und
- dass ich persönlich "gehen" nicht im Sinne von "spazieren" verwende.

In meinem Sprachempfinden bedeutet also der Satz "Ich gehe im Wald" ungefähr "Ich bewege mich im Wald zu Fuß fort". Das mutet so ganz ohne Kontext zumindest ungewöhnlich an. "Ich laufe/renne im Wald" ist ja im Sinne von "Ich bewege mich im Wald schnell zu Fuß fort" auch recht ungewöhnlich. Nur wenn "rennen" resp. "laufen" die Bedeutung von "joggen" hat, wird der Satz so richtig schön akzeptabel.

Die Frage lautet dann also, ob "gehen" die Bedeutung "spazieren" (im weiteren Sinne des Wortes) haben kann. Die Wörterbücher geben darüber leider keinen Aufschluss. Ich finde diese Verwendung von "gehen" richtig, auch wenn sie nicht bei Sprechern allen Alters und/oder in allen deutschsprachigen Regionen gebräuchlich zu sein scheint (natürlich müssten weitere Nachforschung angestellt werden, um fundiertere Angaben zur Akzeptablilität von gehen=spazieren machen zu können). Wenn man aber diese Verwendung von "gehen" akzeptiert, ist der Satz "Ich gehe im Wald" ebenso korrekt wie "Ich spaziere im Wald"."

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Ergänzend möchte ich noch aus dem ausführlichen Artikel im Wörterbuch der Brüder Grimm zitieren:

c) bloszes gehen ist aber auch hin und wieder gehen, umhergehen, spazieren gehen (10, d), wandeln u. ä.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 15.01.08 06:04.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 15. Januar 2008 18:43

Ich habe mir dazu einfach folgende Situation in der Natur vorgestellt:
Mehrere Personen machen zusammen eine Wanderung. An einer Stelle scheiden sich die Geister. Paul sagt, er geht über die Wiese, da hat er mehr Sonne. Anna sagt aber,
"Ich gehe im Wald", weil sie die pralle Sonne nicht leiden kann. Kein Problem also!
Jetzt im Winter allerdings schwer vorstellbar, zumindest im trüben Berlin!

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: Stefan ()
Datum: 16. Januar 2008 12:52

... oder - jahreszeitenunabhängig - eine besorgte Mutter zu ihrem Kind: "Geh nicht auf der Straße! Das ist gefährlich!"

S.

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Re: "gehen" bei Wechselpräpositionen auf die Frage "Wo?"
geschrieben von: nicmarleo ()
Datum: 24. April 2008 14:26

In meinem Wahlland Portugal gibt es 3 verschiedene Verben für diese Situation:

1. andar na mata = im Wald gehen, die Bewegung zu Fuß

2. passear na mata = im Wald spazieren gehen, im Sinne eines kleinen Ausfluges zu Fuß

3. ir à mata = in den Wald gehen, also Akkusativ

Wie auch in anderen ähnlichen Fällen haben wir zwar weniger Grammatik, dafür aber mehr Vokabeln zu lernen.

Gruß
Nicmarleo

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