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"es" als Stellvertreter
geschrieben von: christha ()
Datum: 18. Januar 2016 22:15

Wann steht "es" als Stellvertreter eines Infinitiv- oder Nebensatzes im Hauptsatz???

Warum heißt es also z.B.:
Ich habe versucht, sie zu überzeugen. (ohne es)
Aber: Ich habe es nicht geschafft, sie zu überzeugen. (mit es)

Oder: Ich rate dir, an diesem Projekt mitzuarbeiten. (ohne es)
Aber: Ich lehne es ab, an diesem Projekt mitzuarbeiten. (mit es)

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: Redeker, Bangkok ()
Datum: 19. Januar 2016 05:52

Guten Morgen Christha,

ob es ein "es" in einem Gefüge mit einem Subjekt- oder Objektsatz geben muss (obligatorisch) oder geben kann (fakultativ) hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Schauen Sie hier in der Canoo.Net-Grammatik den Beitrag zum Korrelat an. Folgen Sie dann den Links zum Subjektsatz, Objektsatz usw.



Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: Milorad Gavrilovic ()
Datum: 19. Januar 2016 06:09

"Es" steht als Vorläufer des Objektsatzes. In diesem Fall kann "es" auch fehlen.

Wir haben (es) oft bemerkt, dass...
Sie haben (es) versprochen, die Frage zu prüfen.
Ich ertrage es nicht, kritisiert zu werden.
Kritisiert zu werden, ertrage ich nicht.

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: christha ()
Datum: 19. Januar 2016 10:40

Vielen Dank, Herr Redeker und Herr Gavrilovic, für Ihre raschen Reaktionen!

Leider zeigen Ihre Bemerkungen und die entsprechenden Einträge bei Canoo.Net-Grammatik (die ich vorher bereits konsultiert hatte), dass es sich hier um eine ganz harte Nuss handelt. Denn ich bin nach der Lektüre keinen Schritt weiter.
Die Frage, warum bei einigen Verben im Hauptsatz (z.B. raten) kein "es" stehen darf
bzw. sollte (unüblich), bei anderen Verben (versprechen) "es" fakultativ ist und bei wieder anderen Verben (schaffen, ablehnen) "es" obligatorisch ist, bleibt unbeantwortet.
"Es" als Vorläufer des Objektsatzes ist keineswegs immer fakultativ, Herr Gavrilovic! Gibt es hier wirklich keine generalisierbare Regel oder zumindest eine vermittelbare Tendenz? Das wäre für die Grammatiklehre höchst unbefriedigend.
Meine Beispiele zeigen, dass die Erklärung des Phänomens an den Verben im Hauptsatz ansetzen müsste, aber ich bin bisher daran gescheitert.

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: Milorad Gavrilovic ()
Datum: 19. Januar 2016 13:07

Zitat

Christha schrieb:

Wann steht "es" als Stellvertreter eines Infinitiv- oder Nebensatzes im Hauptsatz???
Warum heißt es also z.B.:
Ich habe versucht, sie zu überzeugen. (ohne es) Aber: Ich habe es nicht geschafft, sie zu überzeugen. (mit es)

Als unbestimmter Objektakkusativ tritt "es" in einer Reihe von verbalen Wendungen auf, zum Beispiel: es schaffen, es aushalten etc.
Ich habe es nicht ausgehalten, nichts zu tun.

Zitat

Oder: Ich rate dir, an diesem Projekt mitzuarbeiten. (ohne es)
Aber: Ich lehne es ab, an diesem Projekt mitzuarbeiten. (mit es)

Beispiel 1:
Ich rate dir, an diesem Projekt mitzuarbeiten. (ohne es)
Auch: Ich rate dir, dass du ...

Daraus lässt sich schließen, dass "es" bei dem Verb mit einer Dativ-Ergänzung im Hauptsatz entfällt, wenn die Infinitivkonstruktion zusammen mit dem Hauptsatz ein Satzgefüge bildet oder wenn wir einen Infinitivsatz in einen dass-Nebensatz umwandeln. Das ist meine persönliche Meinung.

Aber:
Ich rate es dir.

Zitat

"Es" als Vorläufer des Objektsatzes ist keineswegs immer fakultativ, Herr Gavrilovic!

Das habe ich nie behauptet.



11-mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.16 07:42.

Re: Eine harte Nuss
geschrieben von: Milorad Gavrilovic ()
Datum: 20. Januar 2016 06:25

Zitat

Leider zeigen Ihre Bemerkungen und die entsprechenden Einträge bei Canoo.Net-Grammatik (die ich vorher bereits konsultiert hatte), dass es sich hier um eine ganz harte Nuss handelt. (Christha)

Nüsse sind dazu da, geknackt zu werden. “Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht“, wusste unser guter alter Goethe.

Aphorismus von Theodor Fontane:
Wir müssen alle harte Nüsse knacken, der eine heut, der andre morgen, das ist der ganze Unterschied.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.16 06:28.

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: christha ()
Datum: 20. Januar 2016 19:01

Vielen Dank, Herr Gavrilovic für Ihre Bemühungen um die harte Nuss.

Ich halte sie aber noch nicht für geknackt.
Denn dass es "eine Reihe von verbalen Wendungen" gibt (z.B. es schaffen / es aushalten), in denen "es" obligatorisch ist, ist keine generalisierbare Regel, sondern ein (in der Grammatik für fremdsprachige Lerner immer unbefriedigender) Hinweis darauf, dass diese Wendungen mangels Logik eben auswendig zu lernen sind. Dann wäre zumindest eine Liste dieser Wendungen hilfreich - kennen Sie eine? Geknackt wäre diese Nuss in meinen Augen erst, wenn wir angeben könnten, was Verben wie "schaffen" oder "aushalten" von Verben wie "versuchen" oder "bemerken" unterscheidet.

Was Ihre Vermutung bzgl. der Verben mit Dativergänzung betrifft:

"... dass "es" bei dem Verb mit einer Dativ-Ergänzung im Hauptsatz entfällt, wenn die Infinitivkonstruktion zusammen mit dem Hauptsatz ein Satzgefüge bildet",

fällt mir z.B. das Verb "überlassen" ein, in dem dies nicht gilt:
Ich überlasse es dir, daraus Schlüsse zu ziehen.

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: Milorad Gavrilovic ()
Datum: 21. Januar 2016 08:00

Zitat

Dann wäre zumindest eine Liste dieser Wendungen hilfreich - kennen Sie eine? (Christha)

Eine solche Liste habe ich noch nirgends gesehen. Sie wäre ohne Zweifel hilfreich. Im Valenzwörterbuch deutscher Verben könnten wir meiner Meinung nach die Antwort auf deine Frage finden.

Weitere Beispiele für das Korrelat „es“:

Wir wussten (es) nicht, dass du verheiratet bist.
Ich bedauere (es), dich nicht früher informiert zu haben.
Er liebt es, bequem am Abend zu Hause zu sitzen.
Ich finde es toll, dass Sie diesen Weg gehen.
Der Direktor wünscht (es), .... (Infinitivsatz).


Man könnte auch verschiedene Gruppen von Verben vergleichen: Verben des Sagens, Verben der Wahrnehmung, Verben des Gefühls, Verben des Denkens etc. Besonders in der indirekten Rede und bei indirekten Fragesätzen kann das Korrelat „es“ nicht stehen.

Falsch:

Er sagte es, dass ....
Er fragte es, ob ...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.16 08:12.

Re: "es" als Stellvertreter
geschrieben von: christha ()
Datum: 23. Januar 2016 21:06

Wir kommen der Sache gemeinsam näher. Beim Verfertigen von Listen mit den entsprechenden Verben (mit "es" / ohne "es") stellt sich zwar nicht ganz das Glücksgefühl ein, das man beim Knacken einer harten Nuss empfindet, aber es befriedigt insofern, als sich tatsächlich eine deutliche (und damit auch vermittelbare) Tendenz abzeichnet, von der ich noch nirgends gehört oder gelesen habe!
Ihrem Vorschlag, Herr Gavrilovic, folgend habe ich zunächst drei Gruppen gebildet - und es zeigt sich, dass bei transitiven Verben des Denkens/Meinens (finden, ablehnen, befürworten, bewundern, bereuen, bevorzugen ...) und bei trans. Verben des Fühlens (lieben, hassen, ertragen, verabscheuen ...) das Korrelat-"es" im Hauptsatz entweder obligatorisch oder fakultativ ist, also jedenfalls stehen kann.
Bei trans. Verben des Sagens (Sprechaktverben) dagegen (sagen, behaupten, fragen, erwähnen, mitteilen, zum Ausdruck bringen, vorschlagen, raten ...) steht kein "es".
Mit dieser Erkenntnis lässt sich schon mal arbeiten, auch wenn die Listen natürlich der Ergänzung bedürfen. Wir sollten sie uns dann patentieren lassen :-)

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