Hallo,

in der mündlichen B2 Prüfung müssen die Teilnehmer eine Präsentation halten. Manche TN sprechen frei, andere schreiben einen Text und lernen diesen auswendig. Manche leiern einen Text herunter, der ihrem tatsächlichen Sprachniveau gar nicht entspricht, z.B. viele Nebensatze, komplizierte grammatikalische Strukturen. Vielleicht haben sie den Text auch nur aus dem Internet abgeschrieben. Leider gibt es Dozenten und Prüfer, die das toll finden, da ihnen dieses hohe Sprachniveau gefällt. Mir ist die Authentizität viel wichtiger. Ich finde es besser, wenn frei vorgetragen wird. Auch wenn nicht jeder Satz perfekt ist. Auswendig lernen kann doch jeder. Was meint ihr dazu? Danke für eure Antworten!

Kommt darauf an, wie weit das geht.

Jedes Kind lernt doch seine Muttersprache, indem es nachspricht und imitiert. Ich halte es für sinnvoll, Sätze und Satzteile so einzuüben, dass man sie in verschiedenen Situationen einsetzen kann, ohne viel ändern zu müssen.

Und wenn ich als Prüfer merke, dass ein Prüfling kreativ mit eingeübten Sätzen umgehen kann, gefällt mir das.

Ich selbst halte oft auch Reden oder sitze in Verhandlungen. Und in diesen Fällen benutze ich als Muttersprachler immer die gleichen Redemittel, um mein Ziel zu erreichen, egal ob es darum geht, Interesse zu wecken oder meine Verhandlungsposition zu stärken.

Vollkommen frei gehaltene Reden sind in den seltensten Fällen gut. Martin Luther King?

Warum sollte nun gerade ein Prüfling auf B1- oder B2-Niveau seine Präsentation vollkommen frei halten?

Ich habe viele 'Sprechen'-Kurse an der Uni gehalten und viele Präsentationen gehört. Und ich muss sagen: Wenn sich jemand die Mühe macht, einen (für sein Sprachniveau) grandiosen Text zu produzieren und den dann auch noch auswendig lernt - ja, was will man denn mehr? Das ist doch Engagement hoch drei! Ich fand das immer super.

Und ob jemand den Text selber geschrieben hat oder nicht - dafür hat man zumindest als erfahrener Dozent ein Gefühl, glaube ich.

Nach dem Vortrag mussten die Studenten dann im zweiten Teil immer mindestens 5 Fragen aus den Reihen der Zuhörer beantworten. Dort wurde dann bisweilen schnell klar, dass ihr 'tatsächliches' Deutsch und das Deutsch bei ihrer Präsentation nicht ganz zusammenpassen. Aber so what? Es ist ja nun mal Teil der Aufgabe (Präsentation), dass man sich darauf zu Hause vorbereitet - und warum sollte ich denjenigen, der das mit großem Engagement macht, nicht dafür belohnen?

Ich stimme meinen Vorrednern zu, dass es durchaus im Interesse der zu Prüfenden liegt, Phrasen und Redemittel zu benutzen (schließlich lernen sie die ja auch bei uns) oder einen einstudierten Text vorzutragen. Damit können sie punkten, why not?
Auf der anderen Seite sollte die Diskrepanz zwischen reiner Reproduktion und Transferleistung und kreativem Sprachgebrauch nicht so sehr auseinanderdriften, dass das Gesamtbild nicht mehr stimmt. Denn als Prüfer/in bewertet man doch auch die Gesamtleistung. Von daher ist es gut, dass sich die PrüferInnen austauschen, damit nicht einseitig bewertet wird.