Hallo, DaF2000!

(1) Das Atmen fiel ihr immer schwerer. Ich schloss daraus: Ihre Kraft muss
nachgelassen haben.

Erlebte Rede: Ihre Kraft musste nachgelassen haben.

(2) Die Straßen waren nass. Ich schloss daraus: Es muss geregnet haben.

Erlebte Rede: Es musste geregnet haben.

Ebenso:

(3) Dann wurden wir endlich aufgerufen. Ich schloss daraus: Wir müssen fast zwei Stunden verplaudert haben.

Erlebte Rede: Wir mussten fast zwei Stunden verplaudert haben.

Alle drei Sätze sind genau nach demselben Schema konstruiert, und Satz (1) haben Sie ja schließlich doch akzeptiert (wobei ich davon ausgehe, dass Sie auch nichts gegen Satz (2) einzuwenden haben, oder?). Was sollte also an Satz (3) falsch sein?

Zitat
DAF2000 schieb:
"Sie muss mich gestern nicht erkannt haben." - würde ich benutzen. Klingt für mich aber eher nach "Es ist nicht sicher, dass/ob sie mich erkannt hat."

Das meine ich auch. Laut Engel, S. 29, bezieht sich die Negation beim epistemischen Gebrauch von müssen immer auf das Modalverb. ''Hier handelt es sich um Aufhebung der Wahrscheinlichkeit und demzufolge ist die Bedeutung beim negierten müssen ‚möglicherweise, vielleicht’.''

Kostas schrieb:
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>
> Alle drei Sätze sind genau nach demselben Schema
> konstruiert, und Satz (1) haben Sie ja schließlich
> doch akzeptiert (wobei ich davon ausgehe, dass Sie
> auch nichts gegen Satz (2) einzuwenden haben,
> oder?). Was sollte also an Satz (3) falsch sein?

Deswegen ja auch meine Verwunderung. Für mich klingt es einfach falsch. Ich arbeite ja auch als Lektor für Literatur. Hätte ich solch einen Satz vor mir, würde ich ihn lektorieren. Es handelt sich aber um ein Gefühl, es geht mir ums Stilistische.

Es geht mir sowieso oft so, dass ich in Grammatiken Beispielsätze lese, die zwar von der Form her in Ordnung sind, aber trotzdem nicht so klingen, wie man sie in einem muttersprachlichen Kontext erwarten würde. Und das, obwohl ja die meisten Grammatiken von Muttersprachlern geschrieben werden.

Es hängt vom verwendeten Modalverb ab, welchen Grad der Wahrscheinlichlichkeit die Aussage für den Sprecher hat.
- Herr Müller muss schon in New York angekommen sein. (sehr sicher)
- Herr Müller ist bestimmt schon in New York angekommen.

- Herr Müller müsste schon in New York angekommen sein. (sicher)
- Herr Müller ist sehr wahrscheinlich schon in New York angekommen.

- Herr Müller dürfte schon in New York angekommen sein. (wahrscheinlich)
- Herr Müller ist vermutlich schon in New York angekommen.

- Herr Müller könnte schon in New York angekommen sein. (gut möglich)
- Herr Müller ist möglicherweise schon in New York angekommen.

Das Modalverb "sollen" wird auch oft benutzt, wenn der Sprecher eine Aussage macht, die er von einer anderen Person gehört hat. Der Sprecher ist sich nicht sicher, ob diese Aussage richtig ist:

- Er soll schon im Gefängnis gewesen sein.

Das Modalverb "wollen" wird manchmal verwendet, wenn ein Sprecher etwas wiedergibt, das eine andere Person von sich behauptet. Dem Sprecher erscheint diese Behauptung zumindest zweifelhaft:

- Er will schon zweimal in China gewesen sein.
- Sie will schon zweimal verheiratet gewesen sein.

Es geht immer um eine andere Bedeutungsnuance.Die Konstruktion "Modalverb + Infinitiv Perfekt" ähnelt dem Futur II. Wie bekannt, ist das Futur II als absolute Zeit das vollzogen gedachte Tempus der Erwartung oder Vermutung.



6-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.14 14:55.

Zitat

DaF2000 schrieb:

Bei dem konkreten Beispiel ist es so:

"Sie musste mich gestern nicht erkannt haben." - würde ich nicht benutzen, weder mündlich, noch schriftlich.

"Sie muss mich gestern nicht erkannt haben." - würde ich benutzen. Klingt für mich aber eher nach "Es ist nicht sicher, dass/ob sie mich erkannt hat."

Hallo,

Falls ich mich irgendwo geirrt haben sollte, darf man mich natürlich gerne korrigieren. :)

Alle Modalverben bezeichnen den Inhalt einer Aussage als in den Augen des Sprechers mehr oder weniger wahrscheinlich.

MfG: Milorad



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 24.01.14 08:05.