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Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: milorad gavrilovic ()
Datum: 07. August 2010 14:29

Hallo!
In der 3. Auflage des Duden - Aussprachewörterbuchs steht folgendes: auf Seite 666 Serbokroate, und auf Seite 730 Tschechoslowake. In Serbien leben Serben, Kroaten, Slowaken, Tschechen und andere. Niemand ist Serbokroate oder Tschechoslowake. Ist jemand anderer Meinung als ich?
Mit freundilichem Gruß
Milorad Gavrilovic, Deutschlehrer in Novi Sad (Serbien)

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 07. August 2010 14:58

Ich bin ganz deiner Meinung, Milorad!

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 07. August 2010 15:40

Hallo, Milorad!
Auch ich bin ganz deiner Meinung. Das muss ein Fehler sein. Der Begriff "serbokroatisch" hat sich niemals auf das Volk bezogen. Das war nur die Benennung der Sprache, und zwar der offiziellen Sprache des ehemaligen Jugoslawiens. Praktisch gibt es auch keine kroatische und keine serbische Sprache. Sowohl die serbische als auch die kroatische und die in Bosnien und Montenegro gesprochene Sprachen waren praktisch dieselbe Sprache, mit kleineren Abweichungen, die für die slawischen Sprachen immer schon charakteristisch waren. Die offizielle Sprache Jugoslawiens war serbokroatisch. Die slowenische war immer eine ganz selbständige Sprache, ebenso die mazedonische. Deshalb mussten wir in Slowenien als erste Fremdsprache überall in allen Schulen Sloweniens Serbokroatisch lernen. Höchstwahrscheinlich war es auch in Makedonien so. Das weiß ich nicht. Und wie kam es zu "serbokroatischen"? Jede Republik hatte das Recht, die von ihr gesprochene Sprache nach eigenem Volk zu benennen. So haben die Kroaten kroatisch, die Serben serbisch gesprochen. Aus politischen Gründen haben die Kroaten oft einige Ausdrücke geändert, um die Abweichung der Chroatischen von Serbischen zu demonstrieren. Praktisch gibt es drei Dialekte, und eine davon ist die serbische, die weniger Abweichungen von der offiziellen kroatischen Sprache zeigt, als die einzelnen Dialekte innerhalb der Kroatischen. Um aus Spaß etwas zu sagen: die in Zagreb brauchen einen Dolmetscher, um sich mit denen, ihr eigenes Dialekt sprechenden "Eingeborenen" in Dalmatien zu verständigen, obwohl sie eine und dieselbe offizielle Sprache haben. Summa summarum: Serbokroaten gibt es nicht, weil jemad entweder Serbe oder Kroate ist, aber ihre Sprache hieß vor Trennung serbokroatische bzw. kroatischserbische Sprache. Heute gibt es eine serbische Sprache, die mit Cirilica geschrieben wird und eine kroatische Sprache, die die lateinische Schrift gebraucht. Also kannst du die Dudenredaktion um eine Korrektion bitten.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 07. August 2010 17:06

Zitat
milorad
Hallo!
In der 3. Auflage des Duden - Aussprachewörterbuchs steht folgendes: auf Seite 666 Serbokroate, und auf Seite 730 Tschechoslowake. In Serbien leben Serben, Kroaten, Slowaken, Tschechen und andere. Niemand ist Serbokroate oder Tschechoslowake. Ist jemand anderer Meinung als ich?
Mit freundilichem Gruß
Milorad Gavrilovic, Deutschlehrer in Novi Sad (Serbien)

... ja, ich! ;-)

1. muss man unterscheiden zwischen Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit. Ein Bürger der ehemaligen Tschechoslowakei (CSSR) war Tschechoslowake im Sinne seiner Staatsangehörigkeit; aber Tscheche bzw. Slowake im Sinne seiner Volkszugehörigkeit.

2. Serbokroaten kann es scheinbar nach (1.) nicht geben, weil es weder einen Staat "Serbokroatien" noch ein Volk der "Serbokroaten" gibt. ABER: Die Sprache der Serben und Kroaten nennen wir (auch) "Serbokroatisch", weil Serbisch und Koatisch eigentlich das Gleiche ist (sein soll). Ich habe gehört, dass sie historisch und ethnisch gesehen auch EIN VOLK sind, nur sind die Kroaten katholisch und die Serben orthodox; die Kroaten benutzen die lateinische Schrift und die Serben die kyrillische (wie ich gerade bei Charlotte lese). Wenn es also eine Sprache namens "Serbokroatisch" gibt, dann könnte man den, der diese Sprache spricht, auch einen Serbokroaten nennen.

jero
[katzensprung.blog.de]



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.08.10 17:11.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: Steph ()
Datum: 07. August 2010 17:38

Niemand ist oder war Serbokroate. Das Wort serbokratisch bezieht sich auf das Serbokroatische, wie die in Teilen des damaligen Jugoslawiens gesprochene offizielle Sprache genannt wurde (genaueres hat Charlotte oben ja bereits erklärt).

Es ist auch richtig, dass heute niemand mehr ein Tschechoslowake ist. Bis 1992 bildeten aber Tschechien und die Slowakei zusammen einen Staat, der Tschechoslowakei hieß. Die Bürger dieses Staates wurden Tschechoslowaken genannt und das dazugehörende Adjektiv war und ist historisch gesehen immer noch tschechoslowakisch.

Die beiden Adjektive serbokroatisch und tschechoslowakisch gibt es also, genau so wie es zum Beispiel auch Wörter wie DDR-Bürger, sowjetisch, etruskisch und andere Wörter gibt, die heute nicht mehr existierende Einheiten bezeichnen. Wichtig ist dabei nur, dass man solche Wörter heute richtig definiert und sie richig verwendet.

Noch wichtiger ist hier allerdings, dass die zitierte 3. Auflage des Duden Aussprachewörterbuches aus dem Jahr 1990 stammt. Damals gab es sowohl die Tschechoslowakei als auch die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien noch. Die Wörter serbokroatisch und tschechoslowakisch waren beim Erscheinen des Buches also noch aktuell.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 07. August 2010 17:42

... interessantes Thema. Hier noch ein paar Belege:

(1) Tschechoslowake

Zitat

Kategorie:Tschechoslowake
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche

In diese Kategorie werden tschechoslowakische Staatsangehörige aufgenommen.

[de.wikipedia.org]

(2) Serbokroate

Zitat

Die Bezeichnung Serbokroaten war Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise als gemeinsame Bezeichnung für Serben und Kroaten (einschließlich der Bosniaken und der Montenegriner) im Gebrauch. Sie beruhte auf der Theorie, wonach die Existenz einer gemeinsamen Serbokroatischen Sprache notwendigerweise auch die Existenz eines gemeinsamen Volkes impliziere. Diese Theorie hatte sich unter anderem infolge der Bestrebungen des Illyrismus verbreitet, die südslawischen Völker zu vereinen.


Der Begriff Serbokroaten wurde damals auch in Statistiken verwendet. In der Nationalitätenstatistik der österreichischen Reichshälfte der Habsburger Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurden alle Einwohner mit serbokroatischer Muttersprache als Serbokroaten klassifiziert. In der ungarischen Reichshälfte und dazu gehörte auch Kroatien, wurden Serben und Kroaten hingegen offiziell getrennt voneinander aufgelistet.
[Hervorhebungen von mir]

[de.wikipedia.org]

Zitat

Serbokroate bedroht Jugendliche mit Messer - Salzburg News ...
18. März 2009 ... Salzburg-Stadt - Zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen und einem 30-Jährigen ist es Dienstagabend bei der ...
www.salzburg24.at/.../serbokroate.../news-20090318-09012250 - Im Cache
[Hervorhebungen von mir]

[www.google.de]

jero
[katzensprung.blog.de]



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.08.10 17:46.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 07. August 2010 17:42

Hallo Jero!
Zur Zeit der Ungarisch-österreichischen Monarchie haben nur die Habsburger diejenigen, die serbokroatisch gesprochen haben, also auch Bosnier und Montenegroer mit gemeinsamem Namen Serbokroaten genannt. Aber das waren selbständige Stämme innerhalb der Südslawen, denen auch die Slowenen, die Makedonier und auch die Bulgaren angehörten. Das ist eine Tatsache. Es gibt keinen einzigen Serbokroaten. Das stimmt, dass die Serben hauptsächlich orthodox sind, ein Teil von ihnen aber katholisch und viele Islams. Der Staat hieß Jugoslawien. Die Staatsangehörigen waren Jugoslawen, aber niemand hat jugoslawisch gesprochen. Es gab eine serbokroatische Sprache, aber kein serbokroatisches Volk. Niemals! Das war niemals ein Volk. Die Südslawen bestanden aus mehreren südslawischen Völkern. Einige sind schon ausgestorben, einige sind dabei, eben ihre "letzte Stunde" zu leben, (dabei sein + zu + Infinitiv!) z.B. die Venden.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 07. August 2010 17:53

Hallo Charlotte,

du hast sicher ganz viel Recht. Ich schreibe auch nicht darüber, was wahr ist und was falsch ist. Nur, der Begriff "Serbokroate" war im Deutschen gebräuchlich und ist es anscheinend auch noch heute (siehe meinen Beleg aus den "Salzburg News" von 2009). Es macht daher auch Sinn, wenn der Duden die Schreibweise dieses Wortes vermerkt - so wie auch die Schreibweisen anderer Wörter, die wir aber nicht mehr oder kaum noch verwenden (z.B. Neger).

Nur darum ging es mir. Ob der Begriff passend ist oder nicht, mag jeder selbst für sich entscheiden. Ich bin da ganz leidenschaftslos. Manchmal ist das auch eine politische Frage. Man denke an Mazedonien, das sich offiziell aufgrund des Widerstands Griechenlands nicht einfach Mazedonien nennen darf, sondern "Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien".

Zitat

Der Streit um den Namen Mazedonien zwischen Griechenland und Mazedonien entzündete sich im Jahre 1991, als sich die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien unter dem Namen Republik Mazedonien (...) Der Status quo ist, dass die Republik Mazedonien im internationalen Verkehr meist die Bezeichnung The former Yugoslav Republic of Macedonia (F.Y.R.O.M., dt. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) verwendet. Unter diesem provisorischen Namen wurde die Republik Mazedonien auch von den Vereinten Nationen anerkannt[1], wobei Griechenland und Mazedonien aufgefordert wurden, zu einer friedlichen Einigung im Namenskonflikt zu finden.[2]

[de.wikipedia.org]

Und doch sagen wir natürlich im Deutschen einfach "Mazedonien". ;-)

jero
[katzensprung.blog.de]



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.08.10 17:55.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 07. August 2010 18:19

Hallo, Jero!

Sei mir bitte nicht böse, dass ich Dir widerspreche!
Dass im 19. und 20. Jh. in der Monarchie "serbokroatisch" gebraucht wurde, ist verständlich. Aber obwohl der Begriff "Serbokroate" im Deutschen gebräuchlich war, und auch heute noch gebräuchlich ist, entspricht das der Wahrheit nicht, und muss meiner Meinung nach korrigiert werden. Ob die Sprache serbisch, kroatisch, serbokroatisch oder kroatisch-serbisch ist, kann als eine politische Frage aufgefasst werden, aber ein Mensch kann gleichzeitig entweder Kroate oder Serbe sein, oder einer gemischten Nationalität sein, wenn ein Elternteil Serbe, der andere Kroate ist. Im Duden-Fall wurde sicher nicht an diese Minderheit gedacht.
Was den Streit um Makedonien betrifft, ist ein anderes Thema, auch interessant. Wenn Makedonien ihre Selbständigkeit freiwillig aufgeben würde, würde um dieses Land nicht nur Griechenland, sondern auch Bulgarien und Albanien einen ganz scharfen Krieg führen. Vielleicht würde sich auch Serbien einmischen... Aber das ist nur meine Hypothese.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 07. August 2010 19:14

Zitat
Charlotte
Sei mir bitte nicht böse, dass ich Dir widerspreche!

Ach, wieso denn? Deine Meinung ist deine Meinung und du hast ein Recht darauf, sie frei zu äußern. (Und ohne Widerspruch stirbt jede Diskussion! Aber zu diesem Thema weiß ich im Moment nichts mehr zu sagen. Darüber zu streiten, ob Serben und Kroaten eigentlich ein Volk sind oder nicht, ist nicht meine Sache - genauso wenig, ob Norwegisch eine eigene Sprache oder eigentlich nur ein "dänischer Dialekt" ist. Das ist für mich nicht wichtig.)

jero
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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 07. August 2010 19:27

Du hast recht, Jero. "Ohne Widerspruch stirbt die Diskussion." Mit Dir lässt sich wirklich diskutieren. Ich glaube, Du hast uns nur deshalb widersprochen, damit Du uns (mich jedenfalls) an den Computer fesselst.
So brauchte ich eine Weile nicht aufzuräumen. Aber die Arbeit wartet leider auf mich, deshalb muss ich mich jetzt verabschieden.

Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 07. August 2010 19:52

Wenn ich noch einmal zur Ausgangsfrage zurückkehren darf:

Zitat
Niemand ist Serbokroate oder Tschechoslowake. Ist jemand anderer Meinung als ich?

Damit hat Milorad doch ganz einfach Recht.
Es gab mal Tschechoslowaken und wohl fälschlich bezeichnete Serbokroaten. Heute nicht mehr.
Was allerdings in einem Aussprachewörterbuch stehen darf und was nicht, ist eine andere Frage.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 07. August 2010 21:01

Guten Abend,

Zitat
Charlotte
Du hast recht, Jero. "Ohne Widerspruch stirbt die Diskussion." Mit Dir lässt sich wirklich diskutieren. Ich glaube, Du hast uns nur deshalb widersprochen, damit Du uns (mich jedenfalls) an den Computer fesselst. So brauchte ich eine Weile nicht aufzuräumen. Aber die Arbeit wartet leider auf mich, deshalb muss ich mich jetzt verabschieden.

*Lach!*

Zitat
Franziska
Damit hat Milorad doch ganz einfach Recht.
Es gab mal Tschechoslowaken und wohl fälschlich bezeichnete Serbokroaten. Heute nicht mehr. Was allerdings in einem Aussprachewörterbuch stehen darf und was nicht, ist eine andere Frage.

Ich denke, dass Milorad - als er seine Frage stellte - um den historischen Kontext und den diesbezüglichen Gebrauch im Deutschen nicht wusste und sich deshalb wunderte. Er meinte nach meinem Verständnis nicht nur, dass es das nicht mehr gibt, sondern dass es das überhaupt nicht gibt und auch nicht gab, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es Milorad ablehnt, wenn "historische Wörter", die man in historischen Zusammenhängen benutzt, im Duden stehen.

In meinem Duden von 2006 stehen "der Tschechoslowake" und immerhin "Serbokroatisch" drin.

jero
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6-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.08.10 21:44.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 07. August 2010 23:29

Also ich bin mir sicher, dass ein Lehrer aus einer so geschichtsträchtigen Stadt wie Novi Sad ganz genau um die historische Bedeutung der Begriffe weiß. Das Problem mit den Nachschlagewerken ist, dass nicht immer "veraltet" oder "ehemalig" dabeisteht. Da muss man schon mal protestieren.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 08. August 2010 13:14

Zitat
Franziska
Also ich bin mir sicher, dass ein Lehrer aus einer so geschichtsträchtigen Stadt wie Novi Sad ganz genau um die historische Bedeutung der Begriffe weiß. Das Problem mit den Nachschlagewerken ist, dass nicht immer "veraltet" oder "ehemalig" dabeisteht. Da muss man schon mal protestieren.

Hallo Franziska,

aber warum sollte sich denn jemand allen Ernstes darüber "aufregen", dass in unserer Sprache in Bezug auf vergangene "Realitäten" bzw. ideologische Sichtweisen gebräuchliche Wörter (!) in einem Wörterbuch stehen, nur weil es das Bezeichnete bzw. die ihm zugrunde liegende Ideologie nicht mehr gibt? Man spricht und schreibt doch aber eventuell darüber und will daher eventuell wissen, wie man das richtig schreibt bzw. was das ist bzw. sein soll (wenn man es hört und liest).

Gerade wenn Milorad sich der historischen Relevanz bewusst gewesen wäre, hätte es doch für ihn gar keinen Grund gegeben, diese Wörter zu monieren - es sei denn, für ihn gehören nur Wörter in ein Wörterbuch, die etwas bezeichnen, was es heute noch gibt.

Im Duden von 2006 stehen nicht nur Tschechoslowake und Serbokroatisch, sondern auch "NVA", "Volkspolizist" und "Zar". Mit der gleichen Argumentation könnte man ja nun sagen: Das gibt es nicht! Denn derzeit gibt es sowas ja auch nicht. Es gibt keine NVA. Es gibt keine Volkspolizei. Es gibt keinen Zaren. Und deshalb soll das nicht in einem Wörterbuch stehen?! Das macht ja keinen Sinn.

jero
[katzensprung.blog.de]



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.08.10 13:17.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 08. August 2010 13:51

Es geht hier wahrscheinlich um eine politische Dimension, die uns bei Ausdrücken wie "Volkspolizist" nicht so unter die Haut gehen würde. Außerdem sollte ein Wort, das in sich nicht stimmig ist (ich meine jetzt nicht den Tschechoslowaken, sondern den "Serbokroaten"), auch wirklich nicht in ein Nachschlagewerk aufgenommen werden - siehe Charlottes Ausführungen zur Sprache und Volkszugehörigkeit der Serben und Kroaten.
Interessant ist, dass beim Wortschatzportal kein Fund zur Eingabe "Serbokroate" auftaucht.

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 08. August 2010 13:52

Hallo Jero!

Hier ist ein Zitat von Dir: "Mit der gleichen Argumentation könnte man ja nun sagen: Das gibt es nicht! Denn derzeit gibt es sowas ja auch nicht. Es gibt keine NVA. Es gibt keine Volkspolizei. Es gibt keinen Zaren. Und deshalb soll das nicht in einem Wörterbuch stehen?! Das macht ja keinen Sinn."
Hat es früher Zaren gegeben?
Ja.
Hat es früher Volkspolizei gegeben?
Ja.
Hat es Serbokroaten gegeben?
Nein, niemals.
Auch im Jahr 1990, Erscheinungsjahr der Duden-Rechtschreibung gab es keine Serbokroaten. Es gab Serben, Kroaten, Montenegroaner, Makedonier, Bosnier und Slowenen. Wir alle sind Südslawen (ich bin z.B. Slowenin), und keine Slowenokroaten, Kroatoserben und Ähnliches, auch wenn man uns die Dudenredaktion laut Habsburger Benennung so nennen würde. Ich weiß, Jero, dass Dich diese Frage nicht heiß macht, aber denk mal darüber nach, wie würdest Du Dich fühlen, wenn jemand behaupten würde, dass Du, oder Deine Vorfahren z.B. Germanoengländer waren? Ich glaube, auch Dich würde das ein bisschen stören, weil es so was niemals gab, weil das der Wahrheit nicht entspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 08. August 2010 17:21

Hallo Charlotte,

Ich habe den Eindruck, dass für dich das Thema sehr emotional besetzt ist. Nun weiß ich gar nicht mehr so richtig, wie ich mich verhalten soll.

Ich lasse noch mal andere sprechen. (Nicht ich sage das! Ich habe nur meine Informationen dazu aus diesen und anderen Quellen.)

Zitat
wikipedia
Die Bezeichnung Serbokroaten war Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise als gemeinsame Bezeichnung für Serben und Kroaten (einschließlich der Bosniaken und der Montenegriner) im Gebrauch. Sie beruhte auf der Theorie, wonach die Existenz einer gemeinsamen Serbokroatischen Sprache notwendigerweise auch die Existenz eines gemeinsamen Volkes impliziere. Diese Theorie hatte sich unter anderem infolge der Bestrebungen des Illyrismus verbreitet, die südslawischen Völker zu vereinen.

Illyrismus

Zitat
wikipedia
Die Illyrische Bewegung ... war eine Nationalbewegung, deren Ideologie als Illyrismus ... bezeichnet wird. Sie wurde in den 1830er Jahren von einer Gruppe junger kroatischer Intellektueller initiiert, die die kulturelle, ethnische und politische Einheit aller Südslawen propagierte. (...) In der Zeit der Illyrischen Bewegung entwickelte sich Zagreb zum kulturellen Zentrum mit Bedeutung für den ganzen südslawischen Raum. Die bedeutendsten Dichter und Schriftsteller des Illyrismus waren die Romantiker Stanko Vraz (1810-1851), Ivan Ma¸urani; (1814-1890), Petar Preradovi; (1818-1874) und Dimitrija Demeter (1811-1872). 1850 wurden in Wien die Gespräche zum Knji¸evni dogovor (Literarisches Abkommen) abgehalten, bei welchen sich die bekanntesten Philologen wie Vuk Stefanovi; Karad¸i;, Ivan Ma¸urani;, Dimitrija Demeter oder Franjo Miklo¨i; auf eine den Serben und Kroaten gemeinsame Literatursprache einigten, die dem ¨tokavischen Dialekt in seiner ijekavischen Variante entsprechen sollte. (...) Die Bestrebungen des Illyrismus in sprachlicher Hinsicht führten in der Folge zur Herausbildung der serbokroatischen Sprache.

Serbokroatische Sprache

Zitat
wikipedia
Erstmals wurde dieser Begriff im Jahr 1824 von Jacob Grimm im Vorwort seiner Übersetzung der Kleinen Serbischen Grammatik von Vuk Stefanovi; Karad¸i; erwähnt. ... Einige Jahre später, 1836, wurde dieser Ausdruck erneut vom Philologen Jernej Kopitar in einem Brief benutzt. Offiziell wurde die Bezeichnung von 1921 bis ca. 1993 als Dachsprache für die Dialekte von Serben, Kroaten, Bosniaken und Montenegrinern verwendet.

Warum schreibst du immer, dass der Begriff "Serbokroate/Serbokroatisch" nur von den Habsburgern verwendet wurde?

Können wir die Diskussion wieder versachlichen oder ist das Thema einfach zu emotional? Ich möchte niemandes Gefühle verletzen und dann lieber aussteigen.

jero
[katzensprung.blog.de]

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: jero ()
Datum: 08. August 2010 17:29

Zitat
Charlotte
Ich weiß, Jero, dass Dich diese Frage nicht heiß macht, aber denk mal darüber nach, wie würdest Du Dich fühlen, wenn jemand behaupten würde, dass Du, oder Deine Vorfahren z.B. Germanoengländer waren? Ich glaube, auch Dich würde das ein bisschen stören, weil es so was niemals gab, weil das der Wahrheit nicht entspricht.

Ja, du hast Recht. Das macht mich nicht heiß und das würde mich nicht heiß machen.

Wenn Wissenschaftler sagen, man fasst Deutsche und Engländer neuerdings auch als "Germanoengländer" zusammen, na gut, dann ist das eben so. Wenn hingegen nur DU (!) das tust und sonst niemand, dann würde ich sagen, dass es dieses Wort nicht gibt - zumindest noch nicht.

Wir sagen zu den Engländern im Deutschen auch "Angelsachsen", aber sie sind nicht nur Nachfahren der Angeln und der Sachsen, sondern der Angeln, der Sachsen, der Jüten, der vorher dort bereits lebenden Kelten und dänischer Einwanderer. Trotzdem sagen wir "Angelsachsen". Es ist einfach nur ein Begriff. So lange sich niemand beleidigt fühlt, finde ich nichts Schlimmes daran, dass die Bezeichnung historisch-ethnisch eigentlich nicht ganz korrekt ist.

Aber ich glaube, so oder so sollte ich jetzt aus dieser Diskussion aussteigen. Ich kann gar nichts Neues dazu sagen. Ich habe den Begriff "Serbokroate" nicht erfunden. Ich wollte nur sagen, was wir im Deutschen darunter verstehen bzw. verstanden, als behauptet wurde. Das habe ich ja nun zur Genüge getan. ;-) Mag sich jeder selbst seine Meinung dazu bilden. Wie immer.

jero
[katzensprung.blog.de]

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Re: Serbokroate und Tschechoslowake
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 08. August 2010 17:30

Hallo Franziska!

Danke, dass Du geholfen hast, dieses Problem zu klären.
Ich weiß, dass es der Dudenredaktion schwer fällt, die Etymologie eines jeden Wortes erneut zu untersuchen. Aber meiner Meinung nach sollte einigen Ausdrücken, die z.B. einen beleidigen können, eine größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Hier, wo ich jetzt bin, habe keine Dudenausgabe, aber ich habe in einer Langenscheidts-Ausgabe nachgesehen und Folgendes gefunden: "Die Herausgeber und die Redaktion sind allen Benutzern dankbar, die dem Verlag Vorschläge zur weiteren Verbesserung des Wörterbuchs mitteilen..." Ich glaube, dass es auch bei Dudenredaktion ähnlich geht.
Jero hat geschrieben, dass die Serben und Kroaten eigentlich ein und dasselbe Volk sind. Genaue Ermittlungen haben wir praktisch erst ab 8. Jahrhundert. Was früher war, weiß man nicht hundertprozentig, alles ist nur eine Hypothese. Man kann nicht genau feststellen, ob einige slavische ethnische Einheiten überhaupt als Völker oder nur als Stämme bezeichnet werden können. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Jero recht hat, aber diese Frage ist - soviel ich weiß - heute nocht ziemlich offen, also ungelöst. Alle neuen, selbständigen Republiken des ehemaligen Föderativen Republik Jugoslawiens forschen jetzt eifrig ihre eigene Geschichte, ähnlich der Slowakei.

Liebe Grüße
Charlotte

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