viele Deutsche haben mir gesagt, dass sie selten Konjunktive verwenden. Aber warum schreibt es in den Lehrwerken immer solche Grammatikregeln, ganz ausfuehrlich, was den Lernern den Eindruck gibt, dass es ganz wichtig ist. Frage ist : wann soll man Konjuntiv verwenden?
hier sind zwei Saetze mit Konjunktiv 1:
er hat Angst vor, dass dem Kind etwas gefaehrliches passiert waere.
er konnte sich nicht vorstellen, was mit seinem Kind passiert waere.
scheinen richtig, aber alle sagen mir, dass Deutsche nicht so sagen. Wer kann mir erklaeren, wieso sind diese Aeusserungen nicht richtig?
Danke im voraus.
Ich bin heute nicht mehr alt. lara

Hallo Lara,

der Konjunktiv ist in vielen Fällen wichtig und häufig

1. (als "Konditional"), wenn er vorgestellte Möglichkeiten bezeichnet, die entweder noch realisierbar sind: "Ach wäre/hätte ich doch ein ...!" (Konjunktiv 2) oder nicht mehr realisierbar sind, aber trotzdem vogrstellt werden: "Hätte er damals seinen Lottoschein nicht verloren, wäre er Millionär geworden"

2. Im guten schriftlichen Stil ist der Konjunktiv 1 wichtig um anzuzeigen, dass der Sprecher die Worte eines anderen wiedergibt und selber neutral bleibt, d.h. sich nicht für den Wahrheitsgehalt des Wiedergegebenen verbürgt. "Er sagte, er komme aus Berlin". Die meisten Sprecher des Deutschen schmeißen hier aber die beiden Konjunktivformen bzw. Indikativ Präsens und Konjunktiv 1 durcheinander bzw. nutzen meist die Umschreibungen mit "würde" statt der direkten Konjunktivformen

3. Die dritte typische Verwendung ist der Konjunktiv der Höflichkeit (Konjunktiv II): "Könnten Sie mir bitte die Milch reichen?" Diese Konjunktive werden im modernen Stil als umständlich oder gestelzt kritisiert: "Können Sie mir bitte die Milch reichen" ist natürlicher und immer noch höflich

4. Das Problem in Deinem Beispiel liegt an dem Trägersatz, der ja im Indikativ steht und an der Konjunktion "dass": "Er hat Angst, dass ..." bei "wenn" und Konjunktiv im Hauptsatz z.B. käme eindeutig der Konjunktiv: "Er wäre traurig, wenn dem Kind etwas passiert wäre."

Der Konjunktiv wird im Deutschen nicht wie in anderen Sprachen genommen um anzuzeigen, dass die Faktizität der betreffende Handlung nicht gesichert ist (wie etwa der Subjonctif im Französischen). Im Beispiel wird ja keine Aussage darüber gemacht, ob dem Kind tatsächlich etwas passiert ist

Die Nicht-Faktizität resultiert aus dem Prädikat des Hauptsatzes, so dass im Deutschen im Nebensatz der Präsens Indikativ stehen kann, auch um Zukünftiges zu bezeichnen: "Er will nicht, dass dem Kind morgen etwas passiert"

Variante:: "Er hat Angst, dass dem Kind etwas passiert ist". Dann ist etwas passiert oder es ist nichts passiert, jedenfalls ist eines von beiden Fakt, auch wenn der Sprecher das nicht weiß. Will man im Fall in einer Perfekt-Form den Konjunktiv als vorgestellte Möglichkeit verwenden, müsste es lauten: "Er hat Angst davor, dass dem Kind etwas passiert sein könnte", aber hierzu muss das Modalverb "können" ergänzt werden und der Satz sagt auch nicht anderes als "dass dem Kind etwas passiert ist"

Ich hoffe, das verwirrt nicht noch mehr, aber vielleicht merkst Du Dir als grobe Regel: In Sätzen, in denen nicht schon im Hauptsatz der Konjunktiv steht, ist auch im Nebensatz nur sehr selten einer möglich (z.B. bei wünschen).

Oh je, wen man anfängt über den Konjunktiv nachzudenken, wird's schnell ein Roman (auch ohne nachzuschlagen). Hätte ich Deine Frage doch nie gelesen... ;-)

Matthias Jung
Institut für Internationale Kommunikation
www.iik-duesseldorf.de

Hi Matthias!
Danke schoen! Um dieses Roman besser zu verstehen, brauche ich einen Printer:-)
Alles Gute
Lara

weitere Fragen:

muss man unbedingt bei den folgenden Satz Konjunktiv verwenden?

Er verhielt sich so, als ob er sie gar nicht gehoert haette.

Hallo
Ich heise Halil.Ich komme aus der Turkei und wohne in Antalya.Ich bin 18 yahre alt.Ich lerne Deutsch an der Akdeniz Uni.Ich möchte gern Arcalogic verden.Meine hobbys fusball und play station spielen.

Hallo Lara

nach 'als ob' hat man die Wahl:Konjunktiv I, Konjunktiv II oder ... Indikativ!
('als ob' deutet je schon genügend an, dass es keine Wirklichkeit ist)
als ob er sie gar nicht gehört habe / hätte / hat

Ich wage auch eine kurze Bemerkung zu Matthias' Antwort:
Gibt es nicht doch einen Unterschied zwischen
- Es ist die höchste Zeit, dass die Rechnung bezahlt wird.
(sie wird schon bezahlt) (gesichert?) und
- Es ist die höchste Zeit, dass sie bezahelt werde.
(das sollte jetz schnellstens geschehen) (nicht gesichert?)

Ansonsten bin ich mit allem einverstanden! Tschüss!
Wim