Hallo!
'Fühlst du dich benachteiligt; Fühltst du dich übervorteilt'
Welche unterschiedliche Aussagekraft haben diese beiden Fragen?

Freue mich über eine Erklärung.
Danke.

Maggie! Was für eine Frage!

Ich fürchte fast, dass noch mehr Muttersprachler bei der Lösung dieser Frage ins Schleudern kommen... - dennoch: ich versuche es.

"benachteiligt" - hier geht es meines Erachtens eher um "strukturelle Ungerechtigkeit", die grundsätzlicher Natur und nicht an "Täter" gebunden ist - und ich glaube zu spüren, dass bei "benachteiligt" der Sinn der Aussage dahin geht, dass der Angesprochene grundsätzlich ein Ungleichgewicht spürt, dass aber die austeilende "Macht" anonym und weitgehend seiner Kontrolle entzogen ist - hier geht es eher um den ZUSTAND der Benachteiligung und darum, dass ein allgemeines Gut vorenthalten wird.

"übervorteilt" - hier sprechen wir von "situativer Ungerechtigkeit" - ein in der Regel persönlich bekannter "Täter" hat dem Angesprochenen ein Gut vorenthalten, das ihm (nach dessen Gefühl) zustände. Es geht also eher um die HANDLUNG des Übervorteilens und darum, dass ein konkretes Gut, das eigentlich dem Angesprochen zustünde, anderen zugeteilt wird.

Ufff!!! Hat jemand eine bessere Erklärung???

Mars

Danke für die Erklärung.
Irgendwie widerstrebt mir das Wort 'übervorteilen'. Wenn ich jemanden frage: "Fühlst du dich übervorteilt?" klingt meines Erachtens gleich meine Meinung mit, ich bin aber keineswegs dieser Überzeugung sondern denke eher, dass dir genug Vorteil zugekommen ist.

Gruß
Maggie

Nein, nicht notwendigerweise. Aber, wie der Germanist eben oft zu seinem eigenen Besten den Laien fragt, habe ich mich auch umgehört - "übervorteilt" wird jemand, wenn er beim Zuteilen eines Vorteils übergangen wird, "benachteiligt", wenn er beim Aufteilen einer Sache nach Anderen berücksichtigt wird... :)) Über die gefühlsmäßige Lage des Fragenden ist damit (glaube ich) noch nichts gesagt - und doch meine ich, dass in den meisten Fällen die Übervorteilung als ungerecht empfunden wird, weil sich jemand meiner eigenen Unsicherheit / Schläfrigkeit / Unwissenheit bedient hat, um sich und denjenigen, die er begünstigt, einen Vorteil zukommen zu lassen. "Übervorteilen" hat also Täterbezug. Anders beim "Benachteiligen": hier steht nicht der Täter, sondern das Opfer im Mittelpunkt. Je nach Lage gebrauche ich also das eine oder das andere Verbum. Aus der Sache ergibt sich, dass man dem Übervorteilten ein gewisses Selbstverschulden (mangelnde Achtsamkeit) noch eher vorwerfen kann als dem Benachteiligten. :))

Du bist aber Muttersprachlerin, oder? :))

Vielleicht liegt das daran, dass dem Übervorteilten noch eher ein gewisses Selbstverschulden attestiert werden kann als dem Benachteiligten - weil er (vom Täter) übertölpelt wurde, in einem Augenblick der Unachtsamkeit bös erwischt wurde?

Du bist aber Muttersprachlerin, oder?

Gruß,

Mars

Herzlichen Dank
für diese ausführliche Sprachberatung!

Ja, DEUTSCH ist meine Muttersprache ;-) aber ich merke wiedermal, wie
begrenzt meine Wortwahl (Wortschatz überhaupt) ist.

Gruß,
Maggie