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Re: werden
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 05. Januar 2009 17:11

Hallo, Jero!
Als ich nach Ungarn kam, konnte mir keiner, der die ungarische Sprache studierte, also Fachlehrer war, das ung. Verbensystem logisch erklären. Sie sagten mir, es lässt sich nicht, ist so sehr kompliziert. Also konnten sie mir keine allgemeingültigen Regel sagen. Und neulich hatte ich ein Problem im Deutschen, wo ich innerhalb dieses Themas die Erklärung "lennél" "lehetnél" bekam, was aber absolut nicht stimmt! Das beweist, dass ich einigermaßen doch recht habe, gewisse Dinge lassen sich nur mit Umschreibung ausdrücken.
Mit freundlichen Grüßen: Charlotte

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Re: werden
geschrieben von: jero ()
Datum: 05. Januar 2009 18:16

Hallo Charlotte,

eigentlich möchte ich jetzt gar nicht über Unlogisches in der deutschen Sprache diskutieren (Findest du die starken Verben logisch?). Wenn du von der deutschen Sprache begeistert bist, dann ist das ja toll. Dir ist da nur durch deinen Vergleich so ein "falscher Zungenschlag" reingerutscht, als du der logischen deutschen Sprache die unlogischen (schlechteren? minderwertigeren?) slawischen Sprachen gegenüberstelltest.

Ich gehe einfach mal davon aus, dass das gar nicht deine Absicht war!

jero
www.cafe-deutsch.de

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Re: werden
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 05. Januar 2009 19:45

Hallo Jero!
Die Formen der starken Verben zähle ich zum Wortschatz, und nicht zur Grammatik. Kann sein, dass ich mich irre. Ein starkes Verb hat eben manchmal vier Stämme...Aber die Reihenfolge von vier Verben in einem Passiv mit Modalverb hat seine strenge Logik.
Ich wollte nicht sagen, und glaube, habe auch nicht gesagt, dass einige slawische Sprachen minderwertig sind. Jede Sprache entwickelt sich nach ihren strengen eigenen Gesetzen, die aber von Sprachwissenschaftlern geregelt werden,. Nehmen wir beispielsweise die slowen. Sprache. Sie wird von zwei Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen, von etwa so vielen, wie viele deutsche Sprachlehrer es in Dt. oder in Russland gibt. Sie muss eben noch besser erforscht werden. Die ungarische Sprache hat auch ihre Vorteile. Sie hat einen außerordentlich reichen Wortschatz. Man kann alles in diese Sprache schön gewählt übersetzen. Die slow. ist viel ärmer an verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten. Ich glaube, ich habe den Grund verdeutlicht. Welche Sprache ist schön? Das ist absolut subjektiv. Ich kenne zwar die italienische nur wenig, aber sie ist schön. Die deutsche ist für mich nicht schön, nur logisch. Die kroatische, die ich gut kenne, ist ebenso schön wie die Italienische. Die Russische hat eine sehr schöne und reiche Literatur. Also ist jede Sprache an und für sich im gewissen Sinne schön. Ebenso wie die Frauen: eine ist schön, die andere klug. Aber logisch? Nur eine von hunderten. Aber nur eine von Tausenden hat alle die erwähnten Eigenschaften.
Mit freundlichen Grüßen:
Charlotte

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Re: werden
geschrieben von: jero ()
Datum: 05. Januar 2009 21:31

suzana guoth schrieb:
-------------------------------------------------------
... Jede Sprache entwickelt sich
> nach ihren strengen eigenen Gesetzen, die aber von
> Sprachwissenschaftlern geregelt werden ...
Mit freundlichen Grüßen:
> Charlotte


Ja, Charlotte, man kann so leicht etwas falsch verstehen. Jetzt muss ich auch deshalb nachhaken. Du meinst doch sicher nicht, dass Sprachwissenschaftler die Sprache regeln, also die Gesetze ihrer Entwicklung "machen"? Du meinst, Sprachwissenschaftler erforschen und beschreiben die Gesetze, nach denen sich eine Sprache entwickelt, nicht wahr?!

Ich kann schlecht beurteilen, ob Deutsch leichter oder schwerer als andere Sprachen ist. Man hört sehr oft, dass Deutsch eine schwere Sprache sei. Für mich hat jede Sprache ihre Schwierigkeiten: Im Englischen ist das für mich z.B. der Gebrauch der Zeitformen; im Russischen die Fälle und die Aspekte der Verben... Ich denke schon, dass die unterschiedlichen Konjugationsformen der Verben (die Leitformen/Stammformen) in den Bereich der Grammatik gehören. Findest du eigentlich den Artikelgebrauch im Deutschen logisch? Es ist doch oft sehr unlogisch, was bei uns als männliches, weibliches oder sächliches Substantiv gilt (z.B. das Mädchen).

jero
www.cafe-deutsch.de

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Re: werden
geschrieben von: Tomas ()
Datum: 05. Januar 2009 22:44

Meine Meinung zu "werden":

"würde" als umschreibende KonjunktivII-Konstruktion vor allen Dingen bei schwachen Verben:

"Ich würde gerne machen"

"würde" ist hier eine grammatikalisierte Form von "werden", die ihre ursprüngliche semantische Bedeutung verloren hat. Stichwort: Grammatikalisierung von Verben.

"werden" selbst ist aber ein starkes Verb.

Deshalb muss man nicht umschreibend den Konkunktiv II bilden, "Er würde hungrig werden"

sondern kann direkt sagen "Er würde hungrig".

Liege ich mit dieser Erklärung richtig, oder ist das Alles Quatsch?

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Re: werden
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 06. Januar 2009 00:01

Guten Abend Jero!
Wenn die Sprachwissenschaftler die Gesetze nur erforschen und beschreiben würden, dann entstände ganz sicher ein Chaos. Sie regeln natürlich auch die Sprache. Sie versuchen von den vielen, in der Umgangssprache gebrauchten Formen diejenigen auszuwählen, die annehmbar sind, die gewissen Normen der Sprachgebrauch entsprechen. Ich glaube, vor ein paar Jahrzehnten dominierte z.B. in der deutschen Sprache in der indirekten Rede Konjunktiv eins. Konjunktiv zwei wurde nur in den Fällen gebraucht, wo K.I. mit den Formen des Indikativs übereinstimmte. Damals hat man als falsch betrachtet, wenn jemand auch in dem Fall Konj. II. gebraucht hatte, wo K. I. mit Indikativ nicht identisch war. In der Umgangssprache hat man alle durcheinander gebraucht. K.I., K II., und natürlich auch Indikativ. Nur die gebildeten Menschen haben diese Formen richtig gebraucht. Da die Sprachentwicklung nach ihren eigenen Regeln erfolgt, sind die Sprachwissenschaftler jeweils einen Schritt hinter der Entwicklung. Sie müssen abwarten, und erst nachher die Sprache regulieren. Wo sich das nicht mehr machen lässt, also wo das schon aussichtslos scheint, dort lassen sie es zu, also wird die Neuerscheinung zur anerkannten Norm. Es wäre ebenso aussichtslos dagegen einen Kampf zu führen, wie gegen den Wind mit einem Spray rote Ostereier zu malen. Wie ist es jetzt? Das musst Du besser wissen. Soviel ich weiß, wird heute in der indirekten Rede sowohl Indikativ, als auch der K I. und K. II. als richtig anerkannt. Konj. eins wird konsequent nur in der dritten Person Singular gebraucht. Ich kann Dir auch ein Beispiel aus der slowenischen Sprache bringen. Die Verbendungen wurden künstlich reguliert. Die Gesetze wurden am Schreibtisch festgestellt. Alle Neuerscheinungen sollten diesem neuen Prinzip folgen, viele Wörterbücher wurden in diesem Sinne geschrieben, und alle endeten ihren ruhmlosen Laufbahn, wurden eingestampft, weil niemand sie gebrauchte, weil niemand den künstlichen Regeln folgte. Aber in der ungarischen Sprache ist eine künstliche Regelung erfolgreich durchgeführt worden, und zwar die Abschaffung des Passivs. Jetzt wird das in der ung. Sprache nicht mehr gebraucht, obwohl es noch existiert. Die ungarischen Sprachforscher bereuen es sehr, ebenso wie es bei Euch viele Sprachwissenschaftler bereuen, dass gewisse archaische Konjunktivformen einiger starken Verben nicht mehr im Gebrauch sind, oder dass Präteritum in Süddeutschland fast völlig (bei Vollverben) aus dem Gebrauch verschwunden ist.
Ich bin mit Dir völlig einverstanden, dass jede Sprache schwer ist. Bei einer ist es die Aussprache, bei der anderen die vielen Verben, die vielen Satzkonstruktionen, usw. Jede Sprache hat sich auf Grund ihrer eigenen sprachspezifischen Gesetzen jahrhundertenlang oder noch länger entwickelt, jede Sprache hat ihre charakteristische Entwicklunsphasen durchgemacht, wurde von bekannten Sprachwissenschaftlern geregelt, also betrachtet man jede mit einem großen Respekt, und sogar ein Leben ist viel zu kurz, um sagen zu wagen, dass ich "eine oder andere Sprache beherrsche".
Ob ich den Artikelgebrauch im Deutschen logisch finde? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Auch in der ungarischen Sprache gibt es Artikel. Die unterscheiden sich aber auf Grund des Geschlechts nicht. In der slowenischen gibt es auch männliche, weibliche und sächliche Substantive. Aber das zu kennen gehört zum Sprachgefühl. Ich glaube, ebenso wie bei Euch. Zuerst lernt man die Sprache, und später lernt man in der Schule die Regeln dazu. Aber auch die ungebildeten Menschen machen da keine Fehler. Es ist auch im Deutschen so. Die gebürtigen Deutschen haben dazu gut entwickeltes Sprachgefühl, die Nichtdeutschsprachigen müssen es natürlich erlernen, und einige Regeln helfen ihnen dabei. Die Sprachgeschichte der deutschen Sprache interessiert mich nicht so sehr, weil ich davon gar nichts weiß. Ich glaube, das muss mit den Wortendungen in Zusammenhang gestanden haben. Aber man kann auch andere logische Erklärungen zu diesem Problem zu finden.
Alles in der Welt dreht sich um Geschlechtstrieb. (Ich weiß nicht, ob ich mich richtig ausgedrückt habe.), also um diesen Instinkt: oft war das der Grund von Kriegsaubrüchen, die meisten Witze drehen sich um diese Fragen, man kleidet sich schön, um dem Zugehörigen des anderen Geschlechtes zu gefallen. Die Sprache widerspiegelt gewissermaßen das ganze Leben auf ihrer spezifischen Weise. Für mich scheint absolut logisch zu sein, dass der Baum männlich, die Vase weiblich ist. Solange man noch klein ist, lebt dieser Instinkt noch nicht. Deshalb sind die kleinen Tiere sächlich,
Schlaf gut!
Charlotte

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Re: werden
geschrieben von: jero ()
Datum: 06. Januar 2009 00:31

Hallo Charlotte,

fühle dich bitte nicht "ignoriert", ich habe deinen langen Text sehr interessiert, teilweise auch erstaunt gelesen. Es würde jetzt meiner Meinung nach einfach zu weit führen, diese Frage hier zu diskutieren. Teilweise kann ich dir ja zustimmen, denn dass die Sprachwissenschaftler die Sprachentwicklung beobachten und dann einige Neuerungen zu neuen (akzeptierten) Normen erklären, trifft sich ja mit meinem "Erforschen und Beschreiben". Du siehst sie da in ihrer Rolle eher aktiv, während ich sie eher passiv sehe. Das scheint mir im Augenblick der Hauptunterschied zwischen unseren beiden Sichtweisen zu sein.

Es ist sehr interessant zu hören, dass in Ungarn eine Kommission beschlossen hat, das Passiv im Ungarischen nicht mehr zu verwenden, sodass es nicht mehr gebraucht wird (obwohl es aber noch existiert???). Ich finde einen solchen Beschluss absurd. Das kommt mir wie ein Schildbürgerstreich vor. ;-) Wo kann ich dazu mehr erfahren? Ich stelle mir vor, eine deutsche Kommission beschlösse (alter K II), die Deutschen sollten ab 01.01.2009 kein Passiv mehr verwenden. Wie wollte man das denn durchsetzen? Wie hat man das in Ungarn durchgesetzt?

(Nun ist es doch mehr geworden, als ich schreiben wollte. Naja, das ist immer so bei mir. *lach*)

jero
www.cafe-deutsch.de

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Re: werden
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 06. Januar 2009 00:52

Hallo Jero!
Es war schön zu dieser späten Stunde noch Deine Antwort zu lesen.
Jetzt nur sehr kurz. In der Schule wurde im Ungarischen das Passiv immer als falsch beurteilt und korrigiert. Im neunzehnten Jahrhundert wurde es noch gebraucht. Jetzt hört es sich natürlich sehr archaisch an, aber jeder versteht auf dessen Grund, was eigentlich das Passiv im Deutschen ist. Der international sehr anerkannte ungarische Sprachwissenschaftler Professor dr. Grécsi László könnte Dir darüber die Einzelheiten mitteilen. Er würde Dir ganz sicher gern Deine Fragen beantworten, wenn Du sie ihm stelltest. Seine sprachwissenschaftliche Vorträge sind immer interessant.
Gute Nacht: Charlotte

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Re: werden
geschrieben von: mezeijudit ()
Datum: 06. Januar 2009 08:57

Hallo!
Nein. Im Ungarischen war ursprünglich kein Passiv. Wenn wir mit Passiv sprechen, ist es eine Spiegelübersetzung von Deutsch,(wir lebten mit Österreich in Monarchie) so ist es wirklich fremd von ungarischen Sprache. Wir beurteilen es -seit von Kazinczy Ferenc gegründete Bewegung,- als stilistische Fehler. Kazinczy war in der Anfang des 19. Jahrhundert wirklich ein gewaltiger Theoretiker, der wollte die Sprache modernisieren (und politisch eine Unabhängigkeit von Österreich erreichen), es nennt man Spracherneuerung. Er, und die Mitarbeitern übten wirklich eine grosse Einfluss, und seit daher sprechen wir über moderne ungarische Sprache. Aber muss man dazu führen, dass sehr viele Regeln, neue Wörter sind verlorengegangen, weil Kazinczy wollte die Sprache ganz im Ganzen verändern, und natürlich ist es ihm nicht gelungen, weil die Sprache seine eigene Gesetze hat.
Die deutsche Sprache ist wirklich schwer, es beweist mein Deutsch auch.
Mit Freundlichen Grüssen
Judit

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Re: werden
geschrieben von: jero ()
Datum: 06. Januar 2009 10:08

Guten Morgen,

da haben wir ja wieder eine spannende Diskussion. Ich habe eben im Internet gesurft und dabei Folgendes gefunden:
------------------------------------------------------------------------
"Ja, und wie ist das nun im Ungarischen?

Nun, auch da besteht die Möglichkeit, Passivformen zu bilden. Hin und wieder trifft man sie auch noch an in alten Inschriften oder in älteren Fassungen der Bibel.

In der modernen Umgangs- und auch Schriftsprache aber finden Passivkonstruktionen keine Verwendung mehr. Ist das nicht großartig?

Aber nicht zu früh freuen: Bürokraten gibts trotzdem!"


[www.google.de]
------------------------------------------------------------------------

Ich verstehe das jetzt so, dass diese Konstruktion im Ungarischen laut Charlotte veraltete und laut Judit sowieso ein "Germanizismus" war, das heißt, sie ist - möglicherweise durch öffentliche "Brandmarkung" begünstigt - allmählich außer Gebrauch geraten und Sprachtheoretiker haben dann irgendwann akzeptiert, dass nicht mehr so gesprochen und geschrieben wird. Das ist der normale Weg.

Im Deutschen gibt es das auch: Man bezeichnet solche Formen, die es zwar noch gibt, die aber kaum noch aktiv benutzt werden, als "veraltet". Das ist praktisch die letzte Stufe vor dem Verschwinden. Sprachtheoretiker haben aber nicht beschlossen, dass diese Formen nicht mehr benutzt werden sollen, sondern sie haben es beobachtet/festgestellt und dann in ihren Werken so vermerkt (manche sind dabei immer etwas schneller, andere etwas langsamer - man könnte auch sagen, einige versuchen das aufzuhalten, während andere sich gern anschließen).

Ein anderes gutes Beispiel für eine solche Entwicklung sind einige Formen des Konjunktivs II, die sich von Präteritumformen ableiten, die wir im Deutschen bereits verloren bzw. aufgegeben haben. Früher hatten - ich sage das mal vorsichtig so - manche Verben im Präteritum unterschiedliche Stämme im Singular und im Plural. Wenn man heute also sagt "er stünde" (von -stehen-) ist gar nicht mehr einsichtig, wieso das so heißt (und nicht nur "er stände", was inzwischen auch akzeptiert ist). Die meisten Sprachlehrwerke schweigen dazu und sagen nur, das sei veraltet, aber ein Blick in die Sprachgeschichte macht zumindest verständlich, woher das kommt. (Ein Blick in die Sprachgeschichte macht auch klarer, woher die Artikel kommen und das Verb -werden- als Hilfsverb, um die Zukunft zu beschreiben.)

Vor allem aber: Sprachtheoretiker schreiben das den Menschen nicht vor; sie schreiben nur auf, wie sich die Sprache entwickelt und sie hinken dabei immer der aktuellen Entwicklung ein wenig hinterher, denn sie müssen natürlich abwarten, ob sich etwas Neues tatsächlich durchsetzt oder wieder verschwindet oder nur eine Variante bleibt. Alles ist möglich. Charlotte hat so schön dazu gesagt: "Es wäre ebenso aussichtslos dagegen einen Kampf zu führen, wie gegen den Wind mit einem Spray rote Ostereier zu malen." (Ich hoffe, ich merke mir diesen Satz für einige Diskussionen, die wir auch hier im Forum führen. *schmunzel*)

jero
www.cafe-deutsch.de

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Re: werden
geschrieben von: jero ()
Datum: 06. Januar 2009 10:57

... das Verb -werden- finde ich recht interessant. Es trägt bereits als Vollverb die Bedeutungen in sich, die es auch als Hilfsverb auszudrücken hilft (Zukunft, Passiv).

Wenn ich nämlich sage ...

a) Er ist hungrig.

... dann beschreibe ich damit einen Zustand.

Wenn ich aber sage ...

b) Er wird hungrig.

... dann beschreibe ich damit das Ergebnis eines Prozesses, einer Entwicklung.

Dieses Ergebnis ist erstens in der Regel noch nicht eingetreten (Zukunft) und zweitens in der Regel etwas, was jemand nicht selber tut, sondern was mit jemandem geschieht (Passiv). Möglicherweise hat sich das Verb -werden- deshalb zum Hilfsverb für die Zukunft (Futur) und für das Passiv herausgebildet. Für die Zukunft hat es sich übrigens erst vor wenigen Jahrhunderten gegenüber -wollen- und -sollen- durchgesetzt (siehe Plattdeutsch, siehe Englisch!).

Die Form "würde + Infinitiv" (Er würde kommen, aber ...) ist ja eigentlich Konjunktiv II Futur I (Er wird kommen. => Er würde kommen.). Hier hat die Sprachgemeinschaft eine Form für die Zukunft (Futur I) für die Gegenwart umfunktioniert, genauer gesagt für Gegenwart und Zukunft (so wie beim Präsens Indikativ).

Sätze mit -werden- als Vollverb im Konjunktiv II (Gegenwart) scheinen mir sehr ungebräuchlich zu sein. Michael musste dazu vielleicht nicht umsonst Bedingungssätze formulieren, damit es "geht". Einfach nur zu sagen: "Er würde 100" oder "Er würde hungrig" oder "Er würde Arzt" klingt sehr komisch. Ich würde meinen Schüler immer dazu sagen: So spricht man nicht!

Möglicherweise hat Tomas Recht, wenn er schreibt, dass wir "würde" bereits so sehr für den Konjunktiv grammatikalisiert haben (würde + Infinitiv bzw. Konjunktiv III), dass für uns ein "einsames würde" irgendwie nicht mehr geht. (???) Etwas Ähnliches ist ja im Passiv zu beobachten. Dort müsste der Konjunktiv II von "Das Buch wird gelesen" eigentlich heißen "Das Buch würde gelesen", aber auch für mich klingt das so seltsam, dass ich lieber ausweiche auf "Das Buch würde gelesen werden" (ein "Fehler", der schon recht gebräuchlich ist!). Interessanterweise wird damit wiederum eine "nutzlos gewordene" Futur-I-Konstruktion (für Zukünftiges) umfunktioniert, um Gegenwärtiges auszudrücken. Das hatten wir oben schon mal.

Ok, damit keine Mitleser verwirrt werden, sage ich ganz deutlich, dass ich hier teilweise nur meine Beobachtungen (be)schreibe und keine Lehrmeinung!

jero
www.cafe-deutsch.de

PS: In unserer anderen langen Diskussion über die "subjektiven Modalverben" nannte ich einen Beleg von einem Mihail Koitin. Darin findet man auch Hinweise auf eine überhaupt nicht neue (!) Diskussion unter Sprachwissenschaftlern, -werden- als Modalverb aufzufassen. Das würde einige der oben genannten (verwirrenden) Beobachtungen unterstützen/ordnen, aber es ist letztlich nur eine Frage der Bezeichnung.

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Re: werden
geschrieben von: Redaktion ()
Datum: 06. Januar 2009 12:01

da hier gerade Logik bei Sprachen das Thema ist:

Ein logisches System zeichnet sich dadurch aus, dass sich aus den vorhandenen Regeln die gültigen Sätze bilden lassen. Bei natürlichen Sprachen ist der Knackpunkt, wieviele Ausnahmen es gibt.
Für mich bedeutet das, je mehr Ausnahmen (oder wohlwollender: Ausnahmeregelungen) es gibt, um so unlogischer.

Nun habe ich aber gelernt, dass Ungarisch, zusammen mit Finnisch und Türkisch, eine der wenigen Sprachen ist, in denen es kaum Ausnahmen gibt, sondern eine sozusagen in logischer Hinsicht vorbildhafte Regelstruktur vorhanden ist :-)

Insofern würde ich allemal bei einer Klassifikation nach Logik Ungarisch, Türkisch und Finnisch als in dieser Hinsicht logischer einstufen als zB Deutsch.

Wollte ich nur mal eben gesagt haben :-)

Jürgen

Online-Redaktion deutsch-als-fremdsprache.de
[www.iik-duesseldorf.de]

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Re: werden
geschrieben von: Der Lette ()
Datum: 06. Januar 2009 15:03

Ja, Logik und Sprachen ist ein sehr eigenes Kapitel. Sind Sprachen überhaupt logisch? Sie sind gewachsen und nicht erdacht, insofern sind sie nur partiell logisch. Der Linguist ++ hat das Bild vom Trampelpfad gefunden, das ich für sehr passend halte: er entsteht, ist nicht geplant, aber schon künstlich gemacht, nur eben nicht mit exakter, "logischer" Überlegung. Wie wäre es sonst zu erklären, dass der "Abfall der Niederlande" einmal der Müll dieses Landes, ein andermal aber (bei Schiller z.B.) die politische Unabhängigkeit bedeutet? Und ein Abriss kann einmal die Zerstörung (des Palastes der Republik) sein, dann wieder eine kurze Darstellung (der Geschichte Polens). Ist das logisch?
Ich muss eher meinem Vor-Schreiber beipflichten, Ungarisch habe ich selbst als Lerner erlebt und fand es überaus angenehm in seiner Regelhaftigkeit und dem Fehlen von Abweichungen. Aber nicht für jeden ist Ungarisch leicht. Für mich sind slawische Sprachen schwer. Leicht und schwer, logisch oder unlogisch orientiert sich wohl eher am eigenen Lernvermögen und daran, was man für logisch hält. So logisch wie Mathematik ist eine natürliche Sprache nie.

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Re: werden
geschrieben von: Senf ()
Datum: 06. Januar 2009 15:05

Dıe Rolle der Gelehrten und Schulen. Aus der Wikipedia:

Der Begriff Standarddeutsch ist insofern problematisch, als es im deutschen Sprachgebiet keine legitimierte Instanz gibt, die Standards im Sinne von Regeln für Grammatik und Aussprache der deutschen Sprache festlegen könnte. Maßstäbe haben die Handbücher einzelner Gelehrter oder Gruppen von Gelehrten gesetzt. Diese sind aber nie unumstritten geblieben, da ihre Autoren, auch wenn sie sich auf Sprachbeobachtung stützten, nach eigenen Kriterien entschieden haben, was als Standard gelten soll und was nicht. Die Folge davon ist, dass derartige Werke zahlreiche Neubearbeitungen erfahren haben, in denen dann anerkannt wurde, was zuvor als standardwidrig galt. Für die Aussprache ist als Beispiel Theodor Siebs’ Deutsche Aussprache zu nennen, dessen ursprünglicher Titel „Deutsche Bühnenaussprache“ zeigt, dass zunächst kein allgemeiner Standard beabsichtigt war. Für den Bereich der Grammatik hat der 4. Band der Duden-Reihe Bedeutung erlangt, weil deren 1. Band per Kultusministererlass in der früheren Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte als „maßgebend in allen Zweifelsfällen“ (so der Untertitel noch der 20. Auflage von 1991) anzuwenden war. Die 3. und 5. Auflage der Duden-Grammatik haben Neubearbeitungen erfahren, die neueren Entwicklungen zum einen in der Linguistik und zum anderen in der Sprache selbst gefolgt sind. Sowohl die theoretischen Bedingungen, nach denen Kriterien für die Standards aufgestellt werden, als auch die Sprachpraxis, die immer mehr von den vorgeblichen Standards abwich, haben zur Formulierung neuer Standards geführt. Solche und konkurrierende Grammatiken sind daher eher deskriptiv als normativ und für viele potenzielle Nutzer nur schwer zur Orientierung zu verwenden.

Werke wie der Duden, oder die Aussprachregeln von Siebs sind allerdings in Österreich und der Schweiz nicht gültig, und im Unterricht in Österreich nicht zugelassen. Für Österreich gültig ist ausschließlich das "Österreichische Wörterbuch".

Die standarddeutschen Varietäten sind Ausgleichssprachen auf plurizentrischer Grundlage. Ein Deutsch, das mit allen Wörtern und Wendungen überall identisch ist, gibt es nicht.

Unter den Dialektgruppen weisen das Thüringische, das Anhaltische und das Ostfränkische die meisten Parallelen zum Standarddeutschen Deutschlands auf. Mit der Durchsetzung der Reformation in den nördlichen deutschen Ländern hat sich dort die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther gegen niederdeutsche Übersetzungen durchgesetzt, und die Sprache seiner Übersetzung wurde nach und nach zur Amts-, Kirchen- und Schulsprache. Die niederdeutsche Substratsprache hat dabei die Aussprache verändert.

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