Hallo,

ich habe einige Schwierigkeiten mit dem Gebrauch des Verbs "sehen" im Konjunktiv II.

Die Grammatik von Dreyer Schmidt "Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik" besagt, dass der Konjunktiv II der starken Verben von der Stammform eines Verbs im Präteritum mit Ersetzen der Vokabeln a, o, u durch die entsprechenden Umlaute abgeleitet wird. Demnach sollte "sähe" der Konjunktiv II von "sehen" sein. Statt dessen wird in den Lösungen der Musteraufgaben die alternative Form würde+Infinitiv gebraucht, um den Konjunktiv II herzuleiten. Ich verstehe nicht, warum man die letztere Form verwendet.

Könnte mir irgendwer erklären, was in meinen Überlegungen falsch ist?

Vielen Dank für Hilfe!

Grüß,
Oleksandr

Guten Morgen Oleksandr,

Ihre Überlegungen sind ganz richtig.

Die grammatisch korrekte Form des Konjunktivs II von "sehen" ist "sähe".

Allerdings gelten viele Formen der starken Verben im Konjunktiv II als veraltet (z. Bsp. träte, bäte, grübe);sie werden durch würde + Infinitiv ersetzt. (Sehen Sie im Dreyer Schmitt den Paragraphen 54 III Gebrauch des Konjunktivs II, in meiner Ausgabe Seite 263f.)

Die Umschreibung mit würde + Infinitiv scheint vielen Sprechern einfacher zu sein. Die alten, korrekten Formen werden vor allem in der gesprochenen Sprache mehr und mehr verdrängt.


Mit freundlichen Grüßen

Michael Redeker

... ach, da schreibe ich gerne noch was dazu, da hier offenbar wieder Traditionalismus auf Pragmatismus treffen. ;-))) (Ist nicht böse gemeint!)

"Die alten korrekten Formen" des Konjunktivs werden sowohl in der gesprochenen als auch in der geschriebenen Sprache immer mehr durch die Form "würde + Infintiv" ersetzt. In Abgrenzung zum alten Konjunktiv (I und II) nennt man diese neuen Formen gelegentlich auch schon "Konjunktiv III", da sich hier ein eigenes, vollwertiges System auszubilden beginnt.

Man kann keine verbindlichen Aussagen dazu treffen, wann welche Form zu verwenden sei. Das ist eine sehr individuelle Frage! Oft hört und liest man, dass man die nicht-eindeutigen Formen des Konjunktivs durch eindeutigere Formen des Konjunktivs ersetzt (also z.B. KII statt K I oder K III statt K II) - daher kommen die "Chaos-Tabellen" von Schmitt/Dreyer - aber das ist kein "Gesetz", sondern bestenfalls eine Empfehlung!!!

Tatsächlich kann man auch weiterhin z.B. die indirekte Rede nur mittels Konjunktiv I ausdrücken, wenn man will und tatsächlich benutzen viele Deutsche im Alltag für die indirekte Rede überhaupt keinen Konjunktiv, sondern einfach den Indikativ ("Er sagt, er kommt morgen" statt "Er sagt, er komme morgen").

Ich denke, unsere Sprache befindet sich hier gerade in einem Umwandlungsprozess und wir erleben halt noch ein Nebeneinander alter und neuer Formen (und wie immer gibt es "Kräfte", die sich gegen das Neue wehren und andere, die es begrüßen). ;-)

jero
www.cafe-deutsch.de



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 05.01.09 12:33.

jero schrieb:
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> Ich denke, unsere Sprache befindet sich hier
> gerade in einem Umwandlungsprozess und wir erleben
> halt noch ein Nebeneinander alter und neuer Formen
> (und wie immer gibt es "Kräfte", die sich gegen
> das Neue wehren und andere, die es begrüßen).
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... weil's so schön passt, auch hier der Spruch von Charlotte: "Es wäre ebenso aussichtslos dagegen einen Kampf zu führen, wie gegen den Wind mit einem Spray rote Ostereier zu malen." ;-)))

jero
www.cafe-deutsch.de

Herzlichen Dank für Ihre Kommentare. :)

Danke Jero, dass Du dich noch an den Spruch von mir erinnerst. Ich könnte auch auf eine andere Weise die Sinnlosigkeit des Kampfes veranschaulichen, aber die Übersetzung macht mir Schwierigkeiten: "Wie wenn man den Passatwind von der Gegenseite blasen versuchen würde." Ich bitte Dich, korrigiere diesen Satz so, dass er Ohren und Beine haben wird.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

Hm, vielleicht:

... wie wenn man gegen den Wind blasen/pusten würde

... wie wenn man versuchen würde, gegen den Wind zu blasen/pusten

... wie wenn man versuchen würde, eine Feder gegen den Wind zu blasen/pusten


jero
www.cafe-deutsch.de

Ich fände es interessant,

wenn mir mal jemand ein Beispiel gäbe, wo ein semantischer Unterschied zwischen der Konjunktiv II Form mit "würde" und dem direkten Konjunktiv II entstünde.

Ich fand mal so ein Beispiel in einer Übung, habe es aber leider vergessen.