Liebe Experten,

mal wieder habe ich eine Frage an euch, die bestimmt schon öfter mal aufgetaucht ist hier, aber ich hätte gerne konkrete Infos:

Heute habe ich mal wieder eine DaF-Stellenausschreibung gelesen, es geht um eine

- sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle / 39h
- Tätigkeit: DaF-Unterricht (also reine Unterrichtstätigkeit, keine Büroarbeit)

Was bedeutet denn hier konkret Vollzeit?

Ich habe angerufen und mich nach den Konditionen erkundigt. Bezahlung nach Tarifvertrag, hieß es.

Also gehe ich mal davon aus, dass es sich um den Branchentarifvertrag für Weiterbildung handelt. Richtig?

Demnach beträgt er Mindestlohn 13,35 Euro/h, was einem Bruttolohn von 2256 Euro entspricht.

Gruselig erschreckend niedrig, ich weiß.

Was mir die Dame am Telefon nicht beantworten konnte - bzw. - sie hat meine Frage gar nicht so recht verstanden...

... Wie viele Stunden Unterricht bedeuten denn nun Vollzeit?

Sie wiederholte dann nur, dass es eben eine Vollzeitstelle, sprich 39h/Woche wäre. Aber das kann ja wohl kaum 39 Stunden Unterricht bedeuten...

Gibt es hierzu irgendwelche klaren Richtlinien? Erfahrungen?

Danke euch!

Hier zur Erklärung warum ich überhaupt mit so einem Job liebäugele:

Eine Teilzeit-DaF-Stelle (angestellt!) wäre für mich eine ganz gute Basis, um darüber hinaus freiberuflich tätig zu sein (in einem DaF-nahen Feld). So müsste ich nicht selbst Krankenversicherungsbeiträge und Rentenbeiträge zahlen. Doch wie berechne ich hier mein Gehalt, angenommen ich unterrichte vormittags 20 oder 25 UE/Woche. Handelt es sich dann um eine 50/60/75/80/100%-Stelle?

Spradi



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.10.15 14:23.

Zitat
Spradi
Sie wiederholte dann nur, dass es eben eine Vollzeitstelle, sprich 39h/Woche wäre. Aber das kann ja wohl kaum 39 Stunden Unterricht bedeuten...

Gibt es hierzu irgendwelche klaren Richtlinien? Erfahrungen?

Eine eindeutige Antwort wird man nur beim potentiellen Arbeitgeber erhalten. Nach meinen Erfahrungen gehe ich aber davon aus, dass sie wirklich 39 Unterrichtsstunden meinen, Vor- und Nachbereitung, Korrekturen und Papierarbeit soll dann in der Freizeit erledigt werden.

Hatte schon sehr arbeitsintensive Perioden, weiß also, wovon ich spreche, wenn ich warne: 39 Unterrichtsstunden pro Woche hält man vielleicht mal kurzfristig durch, auf Dauer geht das aber zu Lasten der Unterrichtsqualität und der eigenen Gesundheit.

Für mich entsprechen 25 Wochenstunden Unterricht Vollzeit.

Der Tarifvertrag Mindestlohn Weiterbildung gilt für Betriebe, die überwiegend Maßnahmen nach dem SGB II und III (Arbeitsagenturen und Jobcenter) durchführen. Ein solcher Betrieb kann z.B. auch Integrationskurse anbieten und dann gilt der Mindestlohn auch für die angestellten Lehrkräfte dort, das ist dann aber eher Zufall.

Wahrscheinlicher ist deshalb, dass ein anderer Tarifvertrag gemeint ist, manche Bildungsträger wie z.B. der IB haben einen. Oder der Träger gehört einem Verband an, der seinerseits einen Tarifvertrag hat (z.B. DRK und AWO in vielen Regionen, nicht überall). Du hast aber nicht erwähnt, um welchen Träger es geht.

Eine Festlegung wieviele Unterrichtseinheiten bei Vollzeit zu erbringen sind könnte ebenfalls in einem Tarifvertrag stehen oder in einer Betriebsvereinbarung. Anders als bei Schulen oder Hochschulen gibt es so etwas für den Bereich Erwachsenenbildung aber nicht in allgemeiner Form. Je mehr Unterrichtseinheiten verlangt werden, desto weniger Vor- und Nachbereitung ist möglich. Im Extremfall gehst Du also frühmorgens in den Kurs und überlegst dir erst dann, was Du eigentlich heute machen willst - was natürlich zu extrem schlechter Qualität führt.

E.D.

Danke für eure Antworten.

Gemeint ist tatsächlich der Tarifvertrag Mindestlohn Weiterbildung. In einer anderen Stellenanzeige des gleichen Anbieters wurde das namentlich genannt. Also, wie oben aufgeführt, knapp über 2000 Euro für eine Vollzeitstelle. Das ist natürlich ein Hohn! Interessant fände ich trotzdem wie viele Stunden hier als "Vollzeit" angesehen werden. Aber nur, um das herauszufinden, extra eine fiktive Bewerbung schreiben und zum Vorstellungsgespräch gehen - das ist mir die Sache dann doch nicht wert.

Ich fände es interessant, wenn hier jemand aus Erfahrung berichten könnte. 39h-Vertrag = 39 UE? Oder 25 UE?

Zitat
spradi
Ich fände es interessant, wenn hier jemand aus Erfahrung berichten könnte. 39h-Vertrag = 39 UE? Oder 25 UE?

Bei den wenigen Arbeitsverträgen, die ich angeboten bekommen habe, als ich noch in DE war, sollten es um die 40 Unterrichtsstunden pro Woche sein. Nein, keine UE, Zeitstunden. Vorbereitung, Nachbereitung, Korrekturen und Papierarbeit wurden ausgespart, manchmal gab es nur Hinweise auf Konferenzen oder Meetings während der Arbeitszeit.

Dass 25 UE Unterricht aber Vollzeit sind, zeigen ja die Arbeitsverhältnisse der verbeamteten Lehrer an staatlichen Schulen. Für mich als Selbständigen ist das Vollzeit, mehr unterrichte ich nur in Ausnahmesituationen, manchmal habe ich Anfragen für Intensivschulungen. Die bereite ich dann aber vor dem Start genau vor, was ich auch entsprechend berechne.

Meine Kollegen in Vollzeit-Festanstellung mussten alle 25 UE am Vormittag und 25 UE am Nachmittag pro Woche runterreißen, also 50 UE/Woche für lausige €2.200 brutto. Der Chef hat sich noch nicht einmal geschämt für solche Arbeitsverhältnisse.

Johnny13 schrieb:
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> Meine Kollegen in Vollzeit-Festanstellung mussten
> alle 25 UE am Vormittag und 25 UE am Nachmittag
> pro Woche runterreißen, also 50 UE/Woche für
> lausige €2.200 brutto. Der Chef hat sich noch
> nicht einmal geschämt für solche
> Arbeitsverhältnisse.


Das ist nicht dein ernst?! 10 UE pro Tag überlebt man doch keine 4 Wochen! Magst du den "Arbeitgeber" nennen? Der müsste doch auf eine rote Liste!

Sag mal, Spradi, bist Du wirklich so naiv?
Viel Spaß damit, eine rote Liste zu schreiben, mit 99% der Träger!
Solange Leute wie Du für wenig Geld arbeiten wollen und auf Wertschätzung verzichten, wird sich auch nichts ändern.

Solidarisch ist, wenn Dozenten, die nicht einen Finger dafür rühren, ihre selbstgewählten prekären Verhältnisse zu ändern, dann von den Anstrengungen anderer, die für bessere Bedingungen kämpfen, partizipieren.

Zitat
spradi
Das ist nicht dein ernst?! 10 UE pro Tag überlebt man doch keine 4 Wochen!

Ich habe es einmal 2,5 Monate überlebt, wobei die Betonung auf dem Verb liegt. Inzwischen habe ich solch intensive Tage nur noch vereinzelt bei Wochenend-Intensivschulungen oder mal maximal einen Monat am Stück. Das zahlt sich dann aber auch aus.

Als Selbständiger kann man dann aber auch im Monat davor vorbereiten. Und Business-Schulungen fordern einen weniger als IK o.ä.

ainja schrieb:
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> Sag mal, Spradi, bist Du wirklich so naiv?
> Viel Spaß damit, eine rote Liste zu schreiben, mit
> 99% der Träger!

Was hat das mit naiv zu tun? Ich gehe nicht davon aus, dass 99 % der Träger unter einer Vollzeitstelle 50UE/Woche verstehen. Diejenigen, die einen solchen Einsatz verlangen, gehören für mich zu den schwarzen Schafen, denn das ist ja wohl kaum dir Regel!

Ich werde in den nächsten Tagen ein Gespräch mit einem Träger in meiner Stadt haben und mal Details erfragen.

> Solange Leute wie Du für wenig Geld arbeiten
> wollen und auf Wertschätzung verzichten, wird sich
> auch nichts ändern.

Ich messe Wertschätzung nicht primär monetär.Wäre das so, hätte ich von vorherein ein anderes Studium gewählt, einen anderen Weg eingeschlagen. Ein Job in der freien Wirtschaft oder Industrie hat mich beispielsweise nie gereizt, tut es bis heute nicht, Gehalt hin oder her.

Für wenig Geld arbeiten ist ja relativ. Viele meiner Kollegen und Freunde aus anderen Bereichen der Sozial- und Geisteswissenschaften verdienen auch nicht mehr. Aber das ist ein großes Thema.

Ich selbst habe in meinem ersten DaF-Job für einen Hungerlohn gearbeitet, was ich heute nicht mehr tun würde. Das waren 13,50 EUro/UE !

Heute sind 23-25 UE meine unterste Schmerzgrenze. Normalerweise unterrichte ich ab 30/35 Euro/UE. Und du? Da du mich ja hier angreist, würde mich interessieren wie du das handhabst!