IDIAL4P - Fremdsprachen für den Beruf Werbung

Foren für E-Mail-Partnersuche, DaF-Diskussionen und -Jobsuche

Sprachberatung

Bitte in den Foren nur auf Deutsch schreiben!
Auch fremdsprachliche Beiträge (d. h. Beiträge über andere Sprachen) müssen wir leider löschen.

Seiten: 12nächste Seite
Aktuelle Seite: 1 von 2
Präsens oder Futur?
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 03. Januar 2011 12:05

Hallo!

Ich lese gerade im Duden, dass Präsens, auf Zukünftiges bezogen mit dem Futur I konkurriert.
Morgen fahre ich nach Paris. Morgen werde ich nach Paris fahren.
Ich kann es einfach nicht glauben, dass es hier keinen Unterschied im Gebrauch zw. beiden Zeitformen gäbe. Wenn es ihn tatsächlich nicht gäbe, würde man sich beim Gebrauch ständig in einem Dilemma befinden. Vielleicht gibt es doch irgendeinen Grund, oder Anlass, wann welche Form Priorität haben sollte.

Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: cxyrz ()
Datum: 03. Januar 2011 12:55

Hallo Charlotte,

eine Form, die sich von einer anderen unterscheidet, weist automatisch auf einen anderen Inhalt hin, sonst gäbe es diese Form nicht. So gibt es zwar nur eine Zukunft, es lassen sich aber unterschiedliche Verhältnisse zu ihr einnehmen. Ist der in der Zukunft liegende Zeitpunkt bekannt, benutzt man in der Regel das Präsens mit einer Zeitangabe, kann oder will man diesen Zeitpunkt nicht nennen, benutzt man das Futur.
Man kann diese Unterscheidung allerdings auch etwas abstrakter damit erklären, dass das Präsens eine Handlung markiert und das Futur eine Absicht.
Das Beispiel "Morgen werde ich nach Paris fahren" ist m. E. untypisch für den Gebrauch des Futurs.

Grüße
c.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: jero ()
Datum: 03. Januar 2011 12:56

Guten Morgen Charlotte,

wenn du dir vergegenwärtigst, dass Sprache nichts Festes, Starres, Einmal-für-immer-Gültiges, sondern immer in Bewegung ist und immer Altes neben Neuem existiert und Neues Altes verdrängt, sodass gegenwärtiges Deutsch immer nur eine Momentaufnahme einer Entwicklung darstellt, die seit Jahrhunderten währt und sich auch fortsetzen wird (sofern eine Sprache nicht ausstirbt), dann kommt dir das vielleicht nicht mehr "komisch" vor.

Die Futurformen als Ausdruck für Zukünftiges haben sich erst seit wenigen Jahrhunderten im Deutschen etabliert. -werden- als Hilfsverb konkurrierte bis dahin mit -wollen- und -sollen- (wenn ich mich richtig an Gelesenes erinnere).

Inzwischen nutzen wir tatsächlich oftmals einfach das Präsens und fügen eine entsprechende lexikalische Aussage hinzu, die Zukünftiges ausdrückt (morgen, übermorgen, nächstes Jahr etc.). Der Tendenz folgend, dass wir einfache Formen gegenüber schwierigeren (komplexen) bevorzugen, was ja auch Sinn macht, treten also die Futurformen als grammatisches Mittel für Zukünftiges zurück. Wir brauchen sie einfach nicht (mehr). Man sagt zwar, man benutze sie noch, um Zukünftiges besonders hervorzuheben, aber mir scheint, nicht mal das ist wirklich der Grund. Es ist nur noch eine mögliche Variante, die man nutzen kann oder nicht.

Dafür nutzen wir ja wiederum die Futurformen immer noch gerne und viel öfter für modale Aussagen (Vermutungen). Dann beschreiben sie mitunter gar nichts Zukünftiges und manchmal sogar Vergangenes, wie du weißt. Man wundert sich über dieses "Kuddelmuddel", aber es ist womöglich nur Ausdruck dessen, dass da gerade etwas Altes von etwas Neuem abgelöst wird und wir stecken als (Zeit-)Zeugen mitten in diesem Prozess. Vielleicht geht die Entwicklung ja eben dahin, dass -werden- zum Modalverb für Vermutungen wird?! Ich habe schon bei Sprachwissenschaftlern die Ansicht gelesen, -werden- als Modalverb zu betrachten.

jero
www.cafe-deutsch.de



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.01.11 13:00.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Janek ()
Datum: 03. Januar 2011 13:33

-



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.01.11 15:25.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 03. Januar 2011 13:45

Hallo Cxyrz!

Danke für Deine Erklärung. Es ist absolut logisch, dass für den Ausdruck von zukünftigem Geschehen das Futur gebraucht werden muss, wenn der genaue Zeitpunkt nicht bekannt ist, oder man ihn nicht nennen will. Aber im Duden stand eben auch der Satz "Morgen werde ich nach Paris fahren", ohne Kommentar. Ich dachte bis jetzt auch, dass dies untypisch ist. Also wird mit Futur grundsätzlich eine Absicht ausgedrückt.

Nochmals vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: jero ()
Datum: 03. Januar 2011 13:51

Zitat
c.
Man kann diese Unterscheidung allerdings auch etwas abstrakter damit erklären, dass das Präsens eine Handlung markiert und das Futur eine Absicht.
Das Beispiel "Morgen werde ich nach Paris fahren" ist m. E. untypisch für den Gebrauch des Futurs.

Zitat
janek
"Morgen werde ich nach Paris fahren." ist ein sehr typisches Beispiel für die Verwendung des Futurs. Man kann so verschiedene Feinheiten ausdrücken, zum Beispiel im Sinne von "endlich", "das ist 100%ig sicher" oder "auch wenn du das nicht willst".

Interessante Diskussion.

Ich kann wiederum diesen beiden Aussagen nicht zustimmmen. Ich denke, der vermeintliche Bedeutungsunterschied ist (nachträglich) hineininterpretiert, weil man an eine bestimmte Situation dachte.

Wenn ich jedoch ohne Kontext nebeneinander stelle,

(a) Ich fahre morgen nach Paris.

(b) Ich werde morgen nach Paris fahren.

dann merke ich keinen Unterschied - außer den grammatischen, aber ich könnte nicht sagen, (a) sei eine Handlung, aber keine Absicht und (b) sei eine Absicht (aber keine Handlung? bzw. eine Absicht und eine Handlung)? Genausogut kann ich auch (a) in einem bestimmten Kontext mit "endlich", "100%ig" usw. assoziieren, aber es ist dann eben dieser Kontext, der das bewirkt, nicht die grammatische Form. Ich könnte ja mit ein bisschen Kontext auch sagen:

(1) Ich fahre morgen endlich nach Paris.

(2) Ich werde morgen eventuell nach Paris fahren.

jero
www.cafe-deutsch.de



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.01.11 13:53.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Janek ()
Datum: 03. Januar 2011 13:53

-



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.01.11 15:26.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Janek ()
Datum: 03. Januar 2011 13:55

-



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.01.11 15:26.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 03. Januar 2011 14:02

Hallo Jero!

Sehr-sehr interessant finde ich alles, was Du mir geschrieben hast. Das habe ich jedenfalls nur nebelig gewusst, dass "wollen" ein zukünftiges Geschehen auch ausdrücken kann. Z.B. in einem Satz aus einem Lehrbuch: Suchen Sie jemanden? Ich suche meinen Sohn, er will mich abholen. Aber "sollen" bin ich in diesem Zusammenhang noch nicht begegnet. "wollen" auch nur in diesem einzigen Satz. Aber kann sein, dass ich diese Bedeutung von "wollen" nicht bemerkt habe, und habe es falsch interpretiert. Ab jetzt werde ich "wollen" und "sollen" sehr skeptisch betrachten. Ist "wollen" auch heute noch eine Alternative für Ausdruch des Zukünftiges, oder ist das schon etwas veraltet?
Also sind wir heute gerade Zeugen des Prozesses, wo ein Bedeutungswandel vom Futur stattfindet, wobei seine Priorität allmählich der Ausdruck der Vermutung wird, und immer weniger zum Ausdruck des Zukünftiges gebraucht wird. Aber ohne Zeitangabe ist doch das Futur die einzig mögliche Ausdrucksweise für Zukünftiges?
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Janek ()
Datum: 03. Januar 2011 14:11

-



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.01.11 15:26.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Kostas ()
Datum: 03. Januar 2011 14:34

Das futurische Präsens wird vor allem dann gebraucht, wenn das, was in der Zunkunft liegt, mehr oder weniger als gewiss empfunden wird. Mit dem Futur hingegen wird ausgedrückt, dass man sich nicht ganz sicher ist, ob etwas passieren wird:

.........Wir finden. b e s t i m m t. eine Lösung.
.........Wir werden. w o h l. eine Lösung finden.

Im realen Sprachgebrauch wird diese Differenzierung allerdings nicht so streng praktiziert. So sind auch folgende Varianten üblich und korrekt:

.........V i e l l e i c h t. finden wir eine Lösung.
.........Wir werden . b e s t i m m t. eine Lösung finden.


Mehr dazu findet man hier oder auch hier, S. 16-17.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.01.11 14:42.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Franziska ()
Datum: 03. Januar 2011 15:50

Zitat
Mit dem Futur hingegen wird ausgedrückt, dass man sich nicht ganz sicher ist, ob etwas passieren wird.

Wir müssen hier aber unterscheiden zwischen dem "normalen" Futur (wir werden eine Lösung finden)
und der Vermutung (wir werden wohl eine Lösung finden), die Jero auch schon erwähnt hat:
Diese Form kann sich auf Gegenwärtiges oder Zukünftiges beziehen und ist nicht identisch mit dem Futur!
Der Zusatz von "wohl" ist hierbei ausschlaggebend.

Ich verwende "werden" für die Zukunft, wenn ich betonen will, dass ich etwas wirklich machen werde -
wie in Janeks letztem Beispiel. Ansonsten reicht das Präsens völlig aus.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: cxyrz ()
Datum: 03. Januar 2011 16:51

Hallo Kommentatoren,

ich erinnere daran, dass der fragliche Satz lautete "Morgen werde ich nach Paris fahren."

Weitere Differenzierungen dieses Satzes im Sinne von z. B. "endlich" wären nur durch Hinzufügung genau dieser Angaben möglich. Der Kontext ergibt sich aus der Aussage und nicht umgekehrt.

Die Sprechintention "eine Handlung ausdrücken" grenzt sich ab gegen andere Sprechintentionen, wie z.B. etwas Abgeschlossenes auszudrücken - oder eben eine Absicht - durch spezifische Formen. Ein Merkmal dieser Formen ist im Deutschen das Tempus.
Die Eigenschaft von Absichten ist, dass der Zeitpunkt ihrer Erfüllung (oder Nichterfüllung) unbestimmt ist. Zum Ausdruck dieser Unbestimmtheit bedient man sich des Futurs.
Die Eigenschaft von Handlungen ist, dass der Zeitpunkt ihres Geschehens feststeht. Dieser kann in der Gegenwart oder in der Zukunft liegen und wird daher entweder im Präsens oder im Präsens mit einer zusätzlichen Bestimmung der Zeit ausgedrückt.
Unplausible Redundanzen, also eine Vermischung solcher Formen, führt dann zu Irritationen über die Sprechintention.

Dass das Futur im Zusammenhang mit bestimmten Erweiterungen auch noch anderen Sprechintentionen dient, steht ja nicht in Frage.

Grüße
c.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: suzana guoth ()
Datum: 03. Januar 2011 17:16

Hallo Franziska, Janek und Kostas!

Ich danke Euch allen für die interessanten Erläuterungen. Ich muss alles noch gründlich studieren, und "meine Theorie aufstellen-:)" Vieles ist mir schon jetzt klarer geworden.

Mit freundlichen Grüßen
Charlotte

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: jero ()
Datum: 03. Januar 2011 17:35

... also bei Canoo lese ich gerade:

[www.canoonet.eu]

Zitat

Präsens des Zukünftigen
Bei dieser Verwendung bezieht sich das Präsens auf ein Geschehen, das noch nicht begonnen hat:

Ich fahre morgen nach Basel.
Wir sprechen (in einer Woche) noch einmal darüber.
Nächstes Jahr feiert er seinen achtzigsten Geburtstag.

Bei dieser Verwendung des Präsens wird es oft (aber nicht zwangsläufig) durch eine Zeitangabe wie morgen, in einer Woche, nächstes Jahr begleitet. Es muss in jedem Fall aus dem Kontext ersichtlich sein, dass es sich um ein zukünftiges Geschehen handelt.

Präsens und Futur I

Das Präsens des Zukünftigen hat die gleiche Funktion wie das Futur I des Zukünftigen. Die Beispielsätze können auch im Futur I stehen, ohne dass sich ihre Bedeutung dadurch verändert:

Ich werde morgen nach Basel fahren.
Wir werden (in einer Woche) noch einmal darüber sprechen.
Nächstes Jahr wird er seinen achtzigsten Geburtstag feiern.

Hervorhebungen von mir.

Zitat
cryx
Der Kontext ergibt sich aus der Aussage und nicht umgekehrt.

Das finde ich eine merkwürdige Aussage.

jero
www.cafe-deutsch.de

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: jero ()
Datum: 03. Januar 2011 17:43

Zitat
Canoo
Nebenvariante: Feste Absicht
Das Futur I kann neben der Zukünftigkeit auch eine feste Absicht ausdrücken. Das Subjekt ist meist eine 1. Person (ich, wir):

Ich werde Ihnen so bald wie möglich antworten. = Es ist meine feste Absicht, Ihnen so bald wie möglich zu antworten

[www.canoonet.eu]

Das deckt sich ja zumindest teilweise mit der Aussage von cryx, meine ich, wobei cryx dem Futur grundsätzlich eine feste Absicht "unterstellt", hier nennt man es lediglich Nebenvariante. Ich verstehe nur nicht, warum das eine Nebenvariante (besondere Funktion des Futus) sein soll. Ich meine, diese Bedeutung ergibt sich nicht aus der Grammatik. Ohne Futur kann es doch auch eine feste Absicht sein.

Ich antworte Ihnen so bald wie möglich.

Gibt es dann auch eine Nebenvariante zum Präsens? Ein Präsens mit fester Absicht? Das finde ich Quatsch.

Und genauso gut kann es sich bei beiden Aussagen (mit/ohne Futur) um Ausreden, um ein Abwimmeln ohne feste Absicht handeln. Das kann nur der Kontext zeigen, in dem die Aussage getätigt wird - u.U. weiß es ja nur der Sprecher selbst, ob es seine feste Absicht oder nur ein Vertrösten/Abwimmeln ist.*

jero
www.cafe-deutsch.de

* Man erzählte sich nach der Wende von Kommunikationsunterschieden zwischen Ost- und Westdeutschen. Wenn der Westdeutsche ein Gespräch beendet mit: "Ich rufe dich an!", will er jemanden abwimmeln; der Ostdeutsche aber nimmt die Aussage ernst und wartet auf den Anruf. Vergeblich.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.01.11 19:39.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: cxyrz ()
Datum: 03. Januar 2011 22:48

@ jero

im Bemühen verstanden zu werden:

Ich bezog mich mit "Der Kontext ergibt sich aus der Aussage und nicht umgekehrt." auf die Satzebene. "Schnell" ist Kontext zu "ich gehe". Bezogen auf die Gesprächsebene verhält es sich natürlich andersherum.

Die Unterscheidung von Canoo.net in Präsens des Zukünftigen und Futur I des Zukünftigen bezieht sich auf die zeitliche Lokalisation eines Geschehens. Ein Geschehen kann nur beobachtet werden, wenn es geschieht - also jetzt, oder sonst nicht. Bei einer Unterscheidung in Handlung und Absicht beobachtet der Sprecher dagegen seine Intentionen - die dann in ein sprachliches Geschehen münden und sich dafür bestimmter Formen bedienen. Ambivalenzen dieser Formen ergeben sich also nur bei temporaler Unterscheidung, nicht aber bei intentionaler.

Grüße
c.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Kostas ()
Datum: 03. Januar 2011 23:46

Hallo, Franziska,

Jeros Hinweis, dass Futur nicht immer Zukünftiges beschreibt, sondern auch zum Ausdruck der Vermutung dient, habe ich zwar gelesen, aber ich möchte trotzdem darauf aufmerksam machen, dass nicht jede Aussage, die ein vom Adverb wohl begleitetes Futur I enthält, des Elements der Zukünftigkeit entkleidet ist und sich auf reine Vermutung reduzieren lässt. In dem Satz z.B.

......Peter wird wohl gerade arbeiten

liegt tatsächlich kein Zukunftsbezug vor, und zwar aus dem Grund, dass das, worauf Bezug genommen wird, nicht in der Zukunft liegt, sondern sich mit dem Sprechmoment zeitlich überlappt. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb die Varianten

......Peter arbeitet wohl gerade

und

......Peter arbeitet gerade

von niemandem als futurisches Präsens aufgefasst würden. Auf die Bedingung der zeitlichen Überlappung wird übrigens auch in der Canoonet-Grammatik eingegangen (Hervorhebungen von mir):

......Das Futur I kann sich auch auf einen Sachverhalt beziehen, der in Bezug auf den Sprechmoment gegenwärtig,
......ablaufend ist. Der Sprecher/Schreiber drückt damit aus, dass er annimmt (aber nicht ganz sicher weiß), dass
......das Genannte wahr ist:

......Sie ist nicht zu erreichen. Sie wird (noch) in den Ferien sein.
......Ihr werdet (wahrscheinlich) Hunger haben.
......Wenn das so ist, wirst du (wohl) Recht haben.


......Der Gegenwartsbezug kann zusätzlich mit Zeitangaben wie noch und jetzt verdeutlicht werden, die Vermutung mit Adverbien
......wie wohl, wahrscheinlich, vielleicht.


Deshalb vertrete ich die Ansicht, dass immer auf den Kontext geachtet werden muss, wenn entschieden werden soll, ob bei einem Futur I Zukunftsbezug vorliegt oder eine gegenwartsbezogene Vermutung ausgedrückt wird. Trifft Ersteres zu, ist in den meisten Fällen auch ein futurisches Präsens möglich. Ist aber Letzteres der Fall, funktioniert diese Umschreibung nicht.

Daher glaube ich, dass in dem Satz

......Wir werden wohl eine Lösung finden

auf etwas Bezug genommen wird, was zwar in der Zukunft liegt, jedoch nicht als gewiss empfunden wird. Es wird zwar eine Vermutung geäußert, aber der Zukunftsbezug ist eindeutig mit dabei.



4-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.01.11 00:51.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: Kostas ()
Datum: 04. Januar 2011 00:09

Aus Jeros Canoonet-Zitat:

Zitat

Präsens und Futur I

Das Präsens des Zukünftigen hat die gleiche Funktion wie das Futur I des Zukünftigen. Die Beispielsätze können auch im Futur I stehen, ohne dass sich ihre Bedeutung dadurch verändert:

Ich werde morgen nach Basel fahren.
Wir werden (in einer Woche) noch einmal darüber sprechen.
Nächstes Jahr wird er seinen achtzigsten Geburtstag feiern.

Eben. Wo Zukunftsbezug vorliegt, sind in der Regel beide Varianten möglich, wobei das futurische Präsens häufig - aber eben nicht immer - eine größere Sicherheit in Bezug auf das Gesagte ausdrückt als das Futur. Wo aber kein Zukunftsbezug besteht, wird mit dem Futur eine gegenwartsbezogene Vermutung geäußert.

In der Neuen Gelben gibt es eine interessante Übung (S. 124), da lautet die Aufgabenstellung:

......Zeigen Sie in Ihrer Antwort, dass Sie die Frage nicht mit Bestimmtheit beantworten können:

.............Kommt Ludwig auch zu der Besprechung?
.............Ja, er wird wahrscheinlich auch zu der Besprechung kommen.

......Statt wahscheinlich können Sie auch wohl oder vielleicht einsetzen.


Daraus geht meines Erachtens klar hervor, dass der Zukunftsbezug durch die Verwendung von wohl nicht zwangsläufig aufgehoben wird.



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.01.11 11:55.

Optionen: AntwortenZitieren
Re: Präsens oder Futur?
geschrieben von: jero ()
Datum: 04. Januar 2011 12:27

@ Charlotte

Da hast du uns ja eine Diskussion eingebrockt. *schmunzel* Aber ich habe gerade ein paar Tage frei und daher Zeit dafür. ;-)

@ cxyrz

Danke für deine Erklärung.

@ Kostas

Ich finde, es ist eigentlich ganz einfach: Wir haben im Deutschen eine grammatische Konstruktion namens Futur. Sie hat zwei Haupt-Funktionen. (A) Vermutungen (in unterschiedlichem Wahrscheinlichkeits-Grade) und (B) Zukünftiges.

(A) Wo ist Marion? - Keine Ahnung, sie wird beim Arzt sein.

Entsprechende "Vermutungspartikel" - ich nenne das jetzt einfach mal so - verdeutlichen den Grad der Wahrscheinlichkeit (wohl, vielleicht, wahrscheinlich, sicherlich, ganz bestimmt). Sie sind nicht zwingend notwendig. Wir müssen auch nicht darüber streiten, ob -ganz bestimmt- überhaupt noch eine Vermutung ist. Es ist trotzdem diese Funktion, für die ich im Moment keine bessere Bezeichnung weiß (Einschätzung des Geltungsgrad einer Aussage???).

(B) Was macht Marion nach ihrem Studium? - Sie wird als Ärztin arbeiten.

Entsprechende "Zeitwörter" machen den Zukunftsbezug deutlicher (dann, demnächst, danach, morgen, nächste Woche, in ein paar Jahren), sind aber nicht zwingend notwendig.

Manchmal gibt es Überschneidungen. Eine Konstruktion im Futur I kann sowohl als Vermutung als auch als (ups, 3 x mal "als" hintereinander) Zukünftiges interpretiert werden. Das hat für mich eine gewisse Logik, denn eigentlich ist doch jede Aussage über die Zukunft eine Vermutung. Egal, wie sicher wir annehmen (wissen), dass etwas passiert / passieren wird; bis zum "Vollzug" bleibt es eine "Spekulation". Es kann auch noch was dazwischen kommen. (Womöglich hat sich auf diese Weise aus der Funktion Zukunft die Funktion Vermutungen entwickelt; vielleicht war es auch umgekehrt. Das weiß ich nicht.)

Und natürlich können wir auch Vermutungen für die Zukunft formulieren und dafür das Futur (beide übrigens) benutzen, das dann beide Funktionen innehat. Es drückt dann mitunter nicht entweder das eine oder das andere, sondern beides aus: Zukünftiges und eine Vermutung. (Muss man so gesehen nicht sogar sagen, dass das Futur immer in unterschiedlichem Grade eine "Vermutung" ausdrückt - nur je nach Konstruktion und Kontext in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft?)

Was macht Marion nachher? - Keine Ahnung, sie wird zu Hause sitzen.

Ob es dem Sprecher/Schreiber jetzt eher um das Zukünftige oder um die Ungewissheit (Vermutung) geht oder gar beides, könnte vielleicht der Kontext zeigen, aber vielleicht nicht mal der, denn selbst wenn der Sprecher/Schreiber nur eine Vermutung ausdrücken wollte, ist der Zeitbezug Zukunft, denn das Geschehen/Ereignis hat ja noch nicht stattgefunden, sondern wird erst stattfinden /findet erst statt.

jero
www.cafe-deutsch.de



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.01.11 12:37.

Optionen: AntwortenZitieren
Seiten: 12nächste Seite
Aktuelle Seite: 1 von 2


Ihr vollständiger Name: 
Ihre Emailadresse: 
Thema: 
Schutz gegen unerwünschte Werbebeiträge (SPAM):
Bitte geben Sie den Code aus dem unten stehenden Bild ein. Damit werden Programme geblockt, die versuchen dieses Formular automatisch auszufüllen. Wenn der Code schwer zu lesen ist, versuchen Sie ihn einfach zu raten. Wenn Sie einen falschen Code eingeben, wird ein neues Bild erzeugt und Sie bekommen eine weitere Chance.

Bitte in den Foren nur auf Deutsch schreiben!
Auch fremdsprachliche Beiträge (d. h. Beiträge über andere Sprachen) müssen wir leider löschen.


This forum powered by Phorum.